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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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ausgeschwärmt, doch es gab keine unberührten Landstriche mehr. Also hatte man die schönsten Gegenden unter Naturschutz gestellt. Im Lake District zum Beispiel wurden die Touristen in große Schaukästen aus Glas gedrahtet und bewunderten die Landschaft draußen wie Goldfische im Aquarium …
    Andere Kosten indes, die der Draht verursachte, waren aus dem Orbit nicht zu erkennen. Er erinnerte sich an die Panik, die England kurz nach der Eröffnung der ersten Verbindungen nach Frankreich ergriffen hatte, als das Land von der Tollwut heimgesucht worden war. Und es waren noch schlimmere Seuchen ausgebrochen, wie zum Beispiel der explosive Anstieg der AIDS-Fälle in den frühen Achtzigern. Manche Kommentatoren sagten, dass die verschiedenen Viren und Bakterien, die sich in den Menschen einnisteten, eine nie dagewesene evolutionäre Entwicklung durchliefen, was von einem Anstieg möglicher Infektionsvektoren begleitet wurde. Andere sagten, dass auf einem verdrahteten Planeten die Menschheit sich ebenfalls weiterentwickeln oder aber untergehen müsse.
    Natürlich war die Anti- Draht- Hysterie zum größten Teil unbegründet, selbst für einen alten Skeptiker wie ihn. Seit 1963, einem Jahr nach der Eröffnung des Drahts, waren bei dem System selbst keine Pannen aufgetreten – wie etwa der Verlust oder die Zerstörung eines menschlichen Musters im Transit –, und es war ziemlich verantwortungslos von der Twentieth Century Fox gewesen, ein derartiges Horror-Remake von Die Riege zu produzieren.
    Der Draht sei ein Segen, sagten seine Befürworter. Er wurde zur Beilegung des Kalten Kriegs benutzt, wobei Teams von UN-Inspektoren zwischen den nuklearen Raketensilos beider Seiten hin- und her drahteten und friedenserhaltende Missionen an Gefahrenpunkten anberaumten. Überhaupt hatte der Draht schon so manche Katastrophe abgewendet: mit seiner Hilfe hatte man 1981 die amerikanischen Geiseln im Iran befreit, 1984 waren Hilfsgüter für die Opfer der Dürrekatastrophe in Äthiopien verteilt worden, und 1986 hatte er einen Krieg zwischen der Atlantischen Union und Argentinien wegen der Falkland-Inseln verhindert. Die Technik war so erfolgreich, dass die Gefahr bestand, die ganze Welt würde in einen Taumel des Utopismus geraten.
    Das hatte Max jedenfalls gesagt, als er sie zuletzt gesehen hatte. Und sie hatten sich wieder gestritten.
    Sie hatten sich wie Botschafter zweier fremder Spezies gebärdet, steif und vor der Zeit alt geworden. Für sie hatte es Priorität gehabt, ihm einen Vortrag über die Forschungsarbeiten zu halten, die sie mit Feynman und Deutsch am Quantencomputer betrieb, anstatt sich nach ihm zu erkundigen. Es war schon seltsam, dass zwei Menschen, deren Leben durch die ungeheuren Fortschritte der Kommunikationstechnik geprägt war, nicht imstande waren, miteinander zu kommunizieren. Forbes konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob ein Kind – das nun auch schon erwachsen wäre! – es vermocht hätte, ihre Beziehung zu kitten.
    Doch in gewisser Weise hatte Max Kinder. Manchmal beneidete er sie um die Leichtigkeit, mit der sie Kontakte zur neuen Generation knüpfte, zu ihren Studenten, Kollegen und anderen. Es gibt heute keine Grenzen mehr für die jungen Leute, hatte sie gesagt, nur Möglichkeiten. Krieg, sagte sie, ist unvorstellbar für diese Menschen … Der Draht verändert sie, Henry.
    Und so weiter. Natürlich hatte Forbes es herzlich wenig interessiert, ob sie Recht hatte oder nicht, denn der Weg zurück war ihm ohnehin versperrt.
    Im Lauf der Jahre, die er in der Schwerelosigkeit verbracht hatte, war er zu einem Sonderling geworden. Und mit seiner Gesundheit hatte er Raubbau betrieben … Die Quacksalber hatten ihm diagnostiziert, er würde an fortgeschrittenem Skelett- und Herzmuskelschwund leiden, und die Knochen hätten bereits so viel Kalzium verloren, dass die innere Knochensubstanz sich schon aufgelöst habe, ohne Hoffnung auf Neubildung.
    Auf der Erde wäre er nun an den Rollstuhl gefesselt und würde allen nur zur Last fallen. Dann blieb er lieber hier oben und beteiligte sich an der Konstruktion des Sternen-Klippers Discovery, auch wenn er den Eindruck hatte, dass die jungen Leute hier oben ihn eher duldeten als schätzten.
    Er warf einen letzten Blick auf das sonnenbeschienene Großbritannien und erinnerte sich an die Euphorie, mit der er im Juni 1949, in der Luftschlacht um England, mit einer Spitfire aufgestiegen war, das laute Propellergeräusch in den Ohren, den Geruch von Motorenöl und Leder

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