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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Wettlauf gegen die Amerikaner gewonnen hatte, waren es britische Wunder, bei Gott. Manchmal schien es, als könne man keine Zeitung aufschlagen, ohne dass einem diese blöden Werbesprüche ins Gesicht sprangen: »Reisen per Telefon!« – »Schneller geht’s durch den Draht!«. Vor allem die jungen Leute schienen diese neue distanzlose Welt zu genießen, auch wenn das manchmal seltsame Blüten trieb. Noch heute drahten diese Heulbojen von Beatles durch die Welt und singen »All You Need is Love« vor einem Zweihundertmillionen-Publikum.
    Der Draht veränderte das Leben eines jeden Menschen. Max war reich geworden, indem sie in Unternehmen investierte, welche die neuen digitalen Computer entwickelten, die zum Betreiben der überall entstehenden Draht- Netze benötigt wurden.
    Wenn sie nur hier gewesen wäre, um das zu sehen, diese Apotheose! Doch wie immer war sie zu beschäftigt.
    Der Draht hatte sein Leben in eine Paradoxie verwandelt. Nur eine flugfähige Mustard war gebaut worden, und nur ein paar Dutzend Flüge wären nötig, um die Empfangsplattformen in den Orbit zu bringen; und danach würde der Draht den Transport von Fracht und Passagieren übernehmen, und zwar zu konkurrenzlos niedrigen Preisen.
    Und was dann? Die Amerikaner sprachen bereits von einem neuen internationalen Mondfahrtprogramm. Und Forbes sollte trotz seines Alters eine leitende Funktion übernehmen. Zum guten alten Mond! Doch das würde mindestens ein weiteres Jahrzehnt intensiven Trainings und Erprobung bedeuten. Und natürlich würde Max sagen, dass er wieder davonlief. Einer Jugend nachjagte, die er schon verloren hatte.
    Welch ein Unsinn! Er hoffte, es würde leichter werden, wenn die Scheidung erst einmal durch war, und dann würde auch diese seltsame Eifersucht verschwinden, die der Draht bei ihm hervorrief.
    Doch das hat noch Zeit bis morgen, alter Junge, sagte er sich. Du musst erst einmal den heutigen Tag überstehen.
    Denn schon in acht Minuten würde der nun fünfzig Jahre alte Henry Forbes tausend Meilen hoch sein – im Orbit um die Erde.
    Zwei Sekunden vor dem Start wurden die sechs Haupttriebwerke gezündet. Ein gleißender Feuerball blähte sich auf. Weißer Rauch, mit rotem australischem Staub vermischt, stieg zur Linken und Rechten des Dreirumpf-Raumschiffs auf. Tief unter sich vernahm Forbes ein tiefes, kehliges Brüllen, als ob die Höllenpforte zugeknallt worden wäre.
    Und für eine Sekunde wurde er um über zwanzig Jahre zurückversetzt und griff die V2-Stellung in Haagsche Bosch an, während einer der Vögel vor ihm abhob und eine Säule aus kaltem Feuer zwischen den Kondensstreifen der sich jagenden Flugzeuge aufstieg …
    Und dann wurde er von den Vibrationen durchgeschüttelt.

 
    1977: Procellarum Base
     
    Aus der Kabine der Endeavour schaute Forbes auf einen scheibenförmigen Ausschnitt des Monds, der sich etwa zehn Fuß unter ihm befand. Im schräg einfallenden Licht des Mondmorgens erkannte er Krater in allen Größen, stecknadelkopfgroß bis hin zu einem Durchmesser von ein paar Metern.
    Buzz Aldrin, der als erster Mensch den Mond betreten würde, stand am Fuß der Strickleiter und wirkte aus Forbes’ Position perspektivisch verkleinert. Steif wie ein Mannequin drehte Aldrin sich um. Sein Haldane-Anzug glühte weiß im Sonnenlicht. »Schöner Ausblick«, sagte er. »Großartige Einöde.«
    »Endeavour für Stevenage. Schön gesagt, Buzz.«
    »Manchmal verspüre ich poetische Anwandlungen«, sagte Aldrin trocken. Dann hopste er über die Oberfläche, um die Motorik im Anzug zu testen, und bald war er aus Forbes Blickfeld verschwunden.
    Forbes war froh, dass sein Copilot kein Aufhebens um diesen großen Moment machte. Schließlich spielte die Identität des Menschen, der den ersten Schritt auf dem Mond machte, kaum eine Rolle; die dreiköpfige Besatzung – ein Brite, ein Ami und ein Russki – war nämlich gemeinsam auf dem Mond gelandet, als Krönung dieses Kooperations-Programms.
    Nun war Forbes an der Reihe. Zuerst prüfte er den Sitz der Plastikblume, die er an den weißen Overall gesteckt hatte. Dann schob Forbes, unterstützt von Alexej Leonov, sich durch die Luke und hielt sich an der Kunststoff-Strickleiter fest. Er hatte kaum Bewegungsfreiheit im ballonartig aufgeblähten Haldane-Anzug, doch er war eine alte Krücke von sechzig Jahren und eh steif wie ein Brett; da kam es auch nicht mehr darauf an, dass er in einem Mond-Kokon eingeschlossen war.
    Er fiel schnell, wobei die Schatten der Landebeine

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