Auf der Straße nach Oodnadatta
Bruder.«
»Würdest du mir bitte erklären, warum nicht?«
»Das will ich gern tun«, sagte mein Vater so leise, dass ich mich dicht ans Fenster drücken musste, um seine Worte zu verstehen. »Weil ich Angst habe, Stephen. Das Chaga hat mir alles genommen, aber das reicht ihm immer noch nicht. Es wird erst zufrieden sein, wenn es mich genommen, wenn es mich verwandelt hat und mich zu einem Fremden für mich selbst gemacht hat.«
»Dein Glaube, Jonathan? Was ist mit deinem Glauben?«
»Den hat es als Erstes genommen.«
»Ach!«, seufzte Pfarrer Elezeke. Nach einer Weile fuhr er fort: »Du weißt, dass du hier immer willkommen bist?«
»Ja, das weiß ich. Danke. Aber ich kann dir nicht helfen.«
An diesem Abend ging ich in die weiße Kapelle – zum ersten und zum letzten Mal –, um mit Gott Zwiesprache zu halten. Es war ein sehr schönes Gebäude, mit einem gerundeten Innengang, der einen zwang, halb um den Innenraum herumzugehen, bevor man eintreten konnte. Ich schätze, man könnte das Kreuz über dem Altar als etwas Spirituelles bezeichnen, aber es ärgerte mich. Es war geradlinig und erhaben und scherte sich um niemanden und nichts. Ich saß eine geraume Zeit da und sah es an, bevor ich den Mut aufbrachte zu sagen: »Du behauptest, du bist die Antwort.«
Ich bin die Antwort, sagte das Kreuz.
»Mein Vater geht vor Angst zu Grunde. Angst vor dem Chaga, Angst vor der Zukunft, Angst vor dem Tod, Angst vor dem Leben. Wie ist deine Antwort?«
Ich bin die Antwort.
»Wir sind Flüchtlinge, wir leben von Wazungus Wohltätigkeit, meine Mutter erntet den Mais, meine Schwester röstet ihn am Straßenrand; sag mir deine Antwort.«
Ich bin die Antwort.
»Du behauptest, du bist die Antwort auf alle menschlichen Bedürfnisse und Fragen, aber was bedeutet das? Wie lautet die Antwort auf deine Antwort?«
Ich bin die Antwort, wiederholte das schweigende hängende Kreuz.
»Das ist keine Antwort!«, schrie ich das Kreuz an. »Du verstehst die Fragen nicht einmal, wie kannst du da die Antwort sein? Welche Macht hast du? Keine! Du kannst überhaupt nichts! Sie brauchen mich, nicht dich. Ich werde tun, was du nicht zu tun vermagst!«
Ich rannte nicht aus der Kapelle hinaus. Man rennt nicht von Göttern weg, an die man nicht mehr glaubt. Ich ging gemessenen Schrittes von dannen und nahm keine Notiz von den Leuten, die mich anstarrten.
Am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg nach Nairobi, um mir einen Job zu suchen. Um Geld zu sparen, ging ich zu Fuß. Überall waren Männer; sie gingen mit anderen Männern spazieren, saßen am Straßenrand und verkauften Holzkohlebrenner aus Blech oder Batterielampen und alle möglichen Dinge, die sie aus Metallstreifen und alten Reifen hergestellt hatten, hockten vor ihren Hütten, die Hände um die Knie gefaltet. Es musste auch Frauen geben, aber die hielten sich verborgen. Es missfiel mir, wie die Männer mich mit den Augen abschätzend anstarrten. Sie hatten Slum-Augen, die an einer Sache nur das sehen, was sie gebrauchen können. Ich muss ihnen wohl zu arm zum Ausrauben und zu spillerig für sexuelle Angriffe erschienen sein, aber ich fühlte mich erst sicher, als die Türme der Innenstadt um mich herum aufragten und die Fahrzeuge auf der dieselfleckigen Straße grüne und gelbe Busse und schnelle weiße UN-Autos waren.
Als Erstes ging ich zur Hintertür eines der großen Touristenhotels.
»Ich kann schälen und putzen und Leute bedienen«, sagte ich zu einem Hilfskoch in schmutzigem Weiß. »Ich bin fleißig und ehrlich. Mein Vater ist Pfarrer.«
»Von deiner Sorte gibt es zehn Millionen«, sagte der Koch. »Verschwinde!«
Dann ging ich zum CNN-Gebäude. Es war ein großes, kühnes Unterfangen. Ich schlüpfte mit einem Motorradkurier hinein und ging zu einem gut aussehenden Luo am Empfang.
»Ich suche Arbeit«, sagte ich. »Irgendeine Arbeit. Ich kann alles. Ich kann Chai kochen, ich kann fotokopieren, ich kann leichte Büroarbeiten verrichten. Ich spreche gut englisch und ein bisschen französisch. Ich begreife schnell.«
»Hier gibt es heute keine Arbeit«, sagte der Luo am Empfang. »Und auch an keinem anderen Tag. Begreife das schnell.«
Ich ging zu den asiatischen Läden in der Moi Avenue.
»Arbeit?«, sagten die Ladenbesitzer. »Wir verkaufen nicht einmal genug, um uns selbst über Wasser zu halten, ganz zu schweigen davon, dass wir noch irgendwelche einfältigen Flüchtlinge beschäftigen könnten. Also, hau ab!«
Ich ging zu den Großhändlern an der
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