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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Zigaretten.
    »Zeig uns was.«
    »Wo?«
    »Da!«
    Ich stieg auf die Bühne. Ein Lichtstrahl fiel auf mich und blendete mich.
    »Zieh dein Oberteil aus.«
    Ich zögerte, dann knöpfte ich meine Bluse auf. Ich ließ sie heruntergleiten und stand mit locker über den Brüsten gefalteten Armen da. Ich konnte die Männer nicht sehen, aber ich spürte die Slum-Augen auf mir.
    »Du stehst da wie ein Christenkind«, sagte die rauchige Stimme. »Lass uns die Ware sehen.«
    Ich entfaltete die Arme. Ich hatte das Gefühl, stundenlang in dem silbernen Licht zu stehen.
    »Möchten Sie mich nicht singen hören?«
    »Mädchen, du magst singen wie ein Engel, aber wenn du die Architektur nicht hast …«
    Ich hob meine Bluse auf und knöpfte sie wieder zu. Das Anziehen war viel beschämender als das Ausziehen. Ich kletterte von der Bühne hinunter. Die Männer fingen an zu reden und zu lachen. Als ich die Tür erreichte, rief mich die dunkle Stimme zurück.
    »Kannst du einen Botengang erledigen?«
    »Was wollen Sie?«
    »Bring das für mich ganz schnell die Straße hinunter.«
    Ich sah eine Hand, die eine kleine Glasampulle hochhielt. Sie glitzerte in dem Licht, das durch die offene Tür hereinfiel.
    »Die Straße runter?«
    »Zur amerikanischen Botschaft.«
    »Die finde ich bestimmt.«
    »Gut. Du gibst das einem Mann.«
    »Was für einem Mann?«
    »Du redest mit dem Wachtposten an der Pforte. Er weiß Bescheid.«
    »Woran wird er mich erkennen?«
    »Sag, du kommst von Bruder Staub.«
    »Und wie viel wird Bruder Staub mir zahlen?«
    Die Männer lachten.
    »Genug.«
    »Auf die Hand?«
    »Nur so werden Geschäfte abgewickelt.«
    »Abgemacht.«
    »Braves Mädchen. He!«
    »Was?«
    »Willst du wissen, was das ist?«
    »Wollen Sie es mir sagen?«
    »Es sind Fullerene. Aus dem Chaga. Verstehst du das? Das sind fremdweltliche Sporen. Die Amerikaner sind scharf drauf. Sie können sie benutzen, um daraus Dinge zu machen, aus dem Nichts. Begreifst du irgendetwas von alledem?«
    »Ein bisschen.«
    »Lass es gut sein. Noch eins.«
    »Was denn?«
    »Trag es nicht in der Hand. Trag es nirgends außen an dir. Kapierst du, was ich meine?«
    »Ich glaube schon.«
    »Hinter der Bühne gibt es Umkleideräume für die Mädchen. Du kannst einen davon benutzen.«
    »Okay. Darf ich was fragen?«
    »Du darfst alles fragen, was du möchtest.«
    »Diese Fullerene. Dieses Chaga-Zeug … Was ist, wenn es losgeht, in mir drin?«
    »Am besten vertraust du den Geschichten, dass es niemals menschliches Fleisch berührt. Hier. Du kannst das benutzen.« Ein Gegenstand flog durch die Luft zu mir. Ich fing es auf – eine Tube mit Gleitcreme. »Eine kleine Schmierung.«
    Ich hatte noch eine Frage, bevor ich hinter die Bühne ging.
    »Darf ich fragen, warum ausgerechnet ich?«
    »Für ein Christenkind hast du eine ordentliche Portion Finsteres in dir«, sagte die Stimme. »Also, hast du einen Namen?«
    »Tendeléo.«
    Zehn Minuten später marschierte ich durch die Stadt, vorbei an allen Kontrollpunkten und durch alle Sicherheitsabsperrungen der UN, mit einer Ampulle voll Chaga-Fullerenen in der Vagina. Ich ging zum Eingang der amerikanischen Botschaft. Dort standen zwei Wachtposten mit weißen Helmen und weißen Gamaschen. Ich entschied mich für den Schwarzen mit den sehr guten Zähnen.
    »Ich komme von Bruder Staub«, sagte ich.
    »Einen Augenblick bitte«, sagte der Soldat. Er tätigte einen Anruf über seine PDU. Gleich darauf schwangen die Türflügel auf und ein kleiner weißer Mann mit borstig hochstehenden Haaren kam heraus.
    »Komm mit«, sagte er und führte mich zu den Toiletten der Wacheinheit, wo ich meine Fracht herauszog. Im Austausch dafür gab er mir eine Spielkarte mit dem Porträt eines Präsidenten der Vereinigten Staaten auf der Rückseite. Der Präsident war Nixon.
    »Wenn du jemals ohne eine von diesen zurückgehst, stirbst du«, erklärte er mir. Ich gab die Nixon-Karte dem Mann, der sich selbst Bruder Staub nannte. Er reichte mir eine Rolle Schillinge und sagte, ich solle am Dienstag wiederkommen.
    Ich gab zwei Drittel der Rolle meiner Mutter.
    »Woher hast du das?«, fragte sie und hielt dabei das Geld in der Hand wie ein Geschenk.
    »Ich habe einen Job«, sagte ich und forderte sie ohne Worte dazu auf, nicht weiter zu fragen. Sie fragte nicht. Sie kaufte Kleidung für Klein-Ei und Obst vom Markt. Am Dienstag ging ich wieder zu dem Club im ersten Stock, wo es nach Bier und Rauch und Sperma roch, und transportierte wieder eine Ladung in meinem

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