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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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schob sie zusammen mit der Chip-Pistole in meine Innentasche. Der Freiheits-Chip pochte unter meiner Haut, während ich durch die Gänge schritt, in denen es von Menschen und Papier wimmelte, und hinaus ins Tageslicht trat.
    Als ich wieder am Club angekommen war, bezahlte ich den Fahrer in Gold. Dieses und Kokain waren die einzige allgemein anerkannte Währung auf der Straße. Ich hatte schon einige Monate zuvor meine Geldrolle in Krüger-Rands umgetauscht. Der Umwechselungskurs war horrend. Ich rannte die Stufen zum Club hinauf und geriet mitten in ein Bild des Gemetzels.
    Gewehrkugeln waren in den dunklen Raum geballert worden. Die Bar war nur noch Glasscherben, die nach Alkohol stanken. Die Tische waren gekippt und gesplittert, Stühle waren umgeworfen und zerschmettert worden. Reglose Körper lagen dazwischen, die Männer des Clubs, unelegant ausgebreitet. Der Teppich war klebrig von Blut. Fliegen summten über den Toten. Ich sah die Staub-Mädchen, meine Schwestern, auf dem Boden verteilt, Haar und nackte Haut und blutgetränkte Stoffe mit Tiger- oder anderen Tiermustern. Ich ging zwischen ihnen hindurch. Ich dachte an Zebras auf der Hochebene, erlegt von Löwen, Gliedmaßen und Muskeln und Haut auseinander gerissen. Der Gestank von Blut ist etwas Schreckliches. Man bekommt ihn nicht wieder aus sich heraus. Ich sah Bruder Staub, der mit dem Rücken gegen die Bühne lag. Jemand hatte einen ganzen Feuerstoß eines Automatikgewehrs in sein Gesicht entladen.
    Unsere Bündnisse waren beendet.
    Ein Krach; ich drehte mich um. Ich zog meine Waffe. Ich sah sie in meiner Hand und gleichzeitig die Toten, die mit ihren Waffen in den Händen dalagen. Ich rannte aus dem Club hinaus. Ich rannte die Treppe auf die Straße hinunter. Ich war eine Verrückte, die die Leute in der Straße anschrie, das Gewehr in der Hand, mit meinem Mantel als Schweif, der hinter mir her flatterte. Ich rannte so schnell ich konnte. Ich rannte nach Hause, in die Jogoo Road. Ich rannte zu den Leuten, die ich dort zurückgelassen hatte. Nichts konnte mich aufhalten. Nichts würde es wagen, da ich eine Waffe in der Hand hielt. Ich würde nach Hause kommen und sie aus diesem Wahnsinn wegführen. Das Letzte, was die Vereinten Nationen noch für uns tun werden, ist, uns hier auszufliegen. Ich würde es ihnen beibringen. Wir werden irgendwo hinfliegen, wo wir keine Waffen und keine Lager und keine Wohlfahrt brauchen, wo wir wieder das sein werden, was wir einmal waren. In meinem Mantel und meinen albernen Stiefeln rannte ich vorbei an der Plastikstadt am alten Bahnhof der Überlandbusse, um die metallenen Barrikaden an der Landhies Road herum, über das Ödland jenseits des Kreisverkehrs an der Lusaka Road, wo zwei Busse brannten. Ich rannte hinaus zur Jogoo Road.
    Direkt auf der anderen Straßenseite waren Leute. Viele, viele Leute mit Fahrzeugen, weißen UN-Fahrzeugen. Und Soldaten, viele Soldaten. Die Church Army sah ich nirgends. Ich schlug mich zu den hinteren Reihen der Menge durch. Ich stieß Menschen aus dem Weg, drosch mit der Seite meines Gewehrs auf sie ein.
    »Aus dem Weg! Ich muss zu meiner Familie!«
    Hände packten mich, wirbelten mich herum. Ein Soldat der kenianischen Armee hielt mich an den Schultern fest.
    »Du kommst hier nicht durch.«
    »Meine Familie wohnt hier. Im Church Army Center, ich muss unbedingt zu ihnen.«
    »Hier kommt niemand durch. Es gibt keine Church Army.«
    »Was sagst du da? Was soll das heißen?«
    Ein Gleitflügler senkte sich herab.
    Ich riss mich von ihm los, erkämpfte mir einen Weg durch die Menge, bis ich zu der Sperrkette von Soldaten kam. Hundert Meter die Straße weiter runter war eine Reihe von Brummern und APCs. Hundert Meter weiter die fremde Infektion. Der Gleitflügler war in das Unterkunftsgebäude gekracht. Ich erkannte immer noch die abscheuliche Fledermausform zwischen der Kruste aus Pilz und Schwamm, die die weißen Pflastersteine bedeckten. Rippen von Chaga-Koralle hatten das Blechdach des Schulungsraums durchbohrt, die Hütten waren ein Eintopf aus sich auflösendem Plastik und durchsichtigen Blasen, die in eine Wolke aus braunem Staub zerplatzten. Wo der Staub etwas berührte, entstanden neue Blasen. Die Kapelle war unter einem Netz von roten Adern verschwunden. Selbst die Jogoo Road war von gelben Blumen und blauen, fassähnlichen Gegenständen aufgeworfen worden. Finger des sechseckigen Chaga-Mooses griffen in Richtung der Blocks an der Straße. Vor meinen Augen brach einer der Dornenbäume

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