Auf der Straße nach Oodnadatta
Stängel von Chaga empor.
Am Kariokor-Markt prallten wir gegen die Noteinsatz-Absperrung der UN. Weidenschilde trieben uns zurück; Schlagstöcke wurden erhoben, sausten nieder. Menschen fielen zu Boden, hielten sich die blutenden Köpfe. Ich warf mich in die Armeelinie.
»Lasst mich durch!«
Ich schob den Arm durch die Absperrung.
»Ich habe einen Chip in mir! Ich habe einen Chip in mir!«
Schlagstöcke ragten vor meinen Augen auf.
»Ich habe einen Chip in mir, einen UN-Pass!«
Die Schlagstöcke senkten sich und etwas wirbelte sie weg. Die Stimme eines Weißen schrie.
»O mein Gott, sie ist es! Bringt sie hier raus! Schnell!«
Die Schilderwand teilte sich, Hände packten mich, zogen mich durch.
»Bedeckt sie mit irgendwas!«
Eine Kampfjacke fiel mir auf die Schulter. Ich wurde sehr schnell durch die Linien von Soldaten weggeführt, zu einem weißen Brummer mit einem roten Kreuz auf der Seite. Ein Weißer mit einer Weste des Roten Kreuzes setzte mich auf die hintere Stufe und fuhr mit einem Scanner über meinen Unterarm. Die Wunde war jetzt lebhaft, pochte.
»Tendeléo Bi. Verbindungsperson des Geheimdienstes der US-Botschaft. Okay, Tendeléo Bi, ich habe keine Ahnung, was du da drin gemacht hast, aber für dich steht Dekontam an.«
Ein zweiter Soldat – ein Offizier, vermute ich – war zum Brummer zurückgekehrt.
»Keine Zeit. Zivilisten müssen um dreiundzwanzig Uhr draußen sein.«
Der Arzt blies die Backen auf.
»Dies ist kein Kriegsgerichtsverfahren …«
»Kriegsgerichtsverfahren?«, fauchte der Offizier. »Während eine ganze verdammte Stadt um uns herum auseinander fällt? Aber eins kann ich dir garantieren: die Amerikaner werden ganz schön wild, wenn wir mit einem ihrer Gespenster Schabernack treiben. Ein oberflächliches Abschrubben dürfte wohl genügen …«
Sie führten mich zu einem großen kastenförmigen Lastwagen mit einem Biogefahr-Symbol auf der Seite. Er war in einiger Entfernung von den anderen Fahrzeugen abgestellt. Ich zitterte wegen des Schocks. Ich erhob keine Einwände, als sie mir alle Haare vom Körper abrasierten. Jemand nahm mir behutsam die Armeejacke ab und zeigte mir, wo ich stehen sollte. Drei Männer entrollten Hochdruckschläuche von der Seite des Lastwagens und bearbeiteten mich von oben bis unten. Das Wasser war kalt und der Strahl so hart, dass es schmerzte. Meine Haut brannte. Ich wand und drehte mich in dem Versuch, ihn von meinen Brustwarzen und den empfindlichen Teilen meines Körpers abzuhalten. Beim zweiten Abschrubben wurde mir klar, was sie taten, und ich erinnerte mich.
»Bringt mich zum Dekontam!«, schrie ich. »Ich möchte zum Dekontam gehen! Meine Familie ist dort, begreift ihr das denn nicht?« Die Männer hörten mir gar nicht zu. Ich glaube, sie merkten nicht einmal, dass es der Körper einer jungen Frau war, den sie abspritzten. Niemand hörte mir zu. Ich wurde mit Heißluftpistolen getrocknet, man gab mir einen etwas zu großen Drillichanzug und verfrachtete mich dann auf die Ladefläche des Diplomatenbrummers, der mit hoher Geschwindigkeit durch die Straßen zum Flughafen raste. Wir gingen nicht zum Terminalgebäude. Dort hätte ich vielleicht ausbrechen und davonlaufen können. Wir gingen durch die Drahttore und geradewegs zum offenen hinteren Teil einer russischen Transportmaschine. Eine Reihe von Leuten stapfte die Rampe hinauf in die Höhle ihres Bauches. Die meisten von ihnen waren Weiße, viele hatten Kinder dabei und alle waren schwer bepackt mit Taschen und Waren. Sie alle waren ebenfalls Flüchtlinge – wie ich …
»Meine Familie ist noch dort hinten, ich muss zu ihr gelangen«, erklärte ich dem Mann mit dem Sicherheitsscanner am Fuß der Rampe.
»Wir werden sie finden«, sagte er, während er die Daten auf meinem Judas-Chip gegen die offizielle Personalkennzeichnung austauschte. »So, jetzt bist du wieder du. Viel Glück.« Ich stieg die Metallrampe hinauf und betrat das Flugzeug. Eine russische Frau in Uniform fand für mich einen Sitz im mittleren Block, weit entfernt von jedem Fenster. Nachdem ich angeschnallt war, saß ich zitternd da, bis ich hörte, wie die Rampe weggefahren und die Luke geschlossen wurde; die Motoren liefen an. Da wusste ich, dass ich nichts mehr tun konnte, und das Zittern hörte auf. Ich spürte, wie das Flugzeug über den Beton ruckelte und auf die Startbahn einschwenkte. Ich hegte eine schreckliche Hoffnung: dass etwas schief gehen und das Flugzeug einen Unfall haben und ich sterben würde. Weil
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