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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Ostafrika-Schutztruppe verkündete, dass das Terminum Ngara erreicht habe, machte ich meinen Zug. In meiner Staub-Mädchen-Uniform, einem Mantel aus straßenlangem, zebragestreiftem PVC über po-kurzen Shorts, nahm ich ein Taxi zur Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika. Der Fahrer fuhr eine Umleitung durch Riverside.
    »Gleitflügler landen auf der Limuru Road«, erklärte der Fahrer. Ich hatte Angst vor den Gleitflüglern, die wie große Plastikfledermäuse von den Bruttürmen herabhingen und darauf warteten, sich herunterfallen zu lassen, die Flügel auszubreiten und über die Stadt zu segeln und dabei Chaga-Sporen auszusäen. Für mich waren sie wie ein dunkler geflügelter Tod. Ich trage noch zu viele Bilder aus dem Alten Testament in mir. Die Armee machte viele davon auf den Türmen unschädlich, die Hubschrauber erledigten das Gleiche in der Luft, aber immer wieder schafften es welche nach unten. Nairobi wurde von innen aufgefressen.
    Riverside war früher einmal eine reiche Gegend gewesen. Ich sah einen Panzer, der in einen Swimmingpool gestürzt war, und einen Tennisplatz, auf dem aufgedunsene Leichen in purpurnen Kampfanzügen herumlagen. Chaga-Tarnung. Hinter den Bäumen sah ich die Fächer von lilafarbenen Landkorallen.
    Ich wies den Fahrer an, vor der Botschaft zu warten. Das Gelände war vollgestellt mit Lastwagen. Ketten von Soldaten und Botschaftsbediensteten beluden sie mit Kisten und Geräten. Der schwarze Wachsoldat kannte mich inzwischen.
    »Ihr haut ab, ja?«, fragte ich.
    »Und ob, Ma’am«, antwortete der Soldat. Ich gab ihm mein Gewehr. Er nickte, um mir zu bedeuten, dass ich durchgehen solle. Leute hasteten durch die Korridore, beladen mit Stapeln von Papier und Kästen mit der Aufschrift ›Eigentum der Regierung der Vereinigten Staaten‹. Überall hörte ich Aktenvernichter am Werk. Ich fand das richtige Büro. Der borstenhaarige Mann, dessen Name Knutson war, stapelte Pappkartons auf seinem Schreibtisch auf.
    »Wir haben keine Geschäftszeit.«
    »Ich bin nicht hier, um Geschäfte zu machen«, sagte ich. Ich erklärte ihm, zu welchem Zweck ich gekommen war. Er sah mich an, als ob ich behauptet hätte, die Welt sei aus Wolle gemacht oder das Chaga habe die Richtung geändert. Also räumte ich einen Platz auf seinem Schreibtisch frei und breitete die Fotos aus, die ich mitgebracht hatte.
    »Bitte klären Sie mich auf, denn ich begreife nicht, wo der Reiz liegt«, sagte ich. »Liegt es daran, dass man, wenn sie noch sehr jung sind, die Jungen nicht von den Mädchen unterscheiden kann? Oder ist es die Enge?«
    »Du beschissenes Luder. Du wirst das nie in die Öffentlichkeit bringen!«
    »Das ist bereits geschehen. Wenn die Personalabteilung des Diplomatischen Corps nicht jede Woche ein Codewort erhält, wird die Datei runtergeladen.«
    Wenn er eine Waffe zur Hand gehabt hätte, hätte Knutson mich wahrscheinlich auf der Stelle umgebracht.
    »Ich hätte nichts anderes erwartet von einer Frau, die ihre Möse an Fremde verkauft.«
    »Wir alle sind Prostituierte, Mr. Knutson. Also?«
    »Warte hier. Um durchzukommen, musst du mit einem Chip versehen sein.« Während der wenigen Minuten, die er aus dem Raum war, betrachtete ich das Gesicht des Präsidenten an der Wand. Ich war vertraut mit den Zügen von Präsidenten; hat es irgendetwas mit der Natur des Oval Office zu tun, fragte ich mich, das ihnen allen das gleiche Aussehen verleiht? Knutson kehrte mit einem Gerät aus Metall und Plastik zurück, das wie eine große hypodermische Spritze aussah. »Name, Adresse, Sozialversicherungs-Nummer.« Ich nannte ihm das Gewünschte. Er tippte es mittels kleiner Tasten an der Seite des Geräts ein, dann packte er mein Handgelenk und drückte die Tülle gegen meinen Unterarm. Es gab ein Klicken und ich spürte einen heftigen Schmerz, schrie jedoch nicht auf.
    »Herzlichen Glückwunsch, du bist jetzt Mitarbeiterin des militärischen Geheimdienstes der Vereinigten Staaten. Ich hoffe, das hat beschissen wehgetan.«
    »Ja, hat es.« Blut rann mir übers Handgelenk. »Ich brauche noch drei davon. Und zwar auf folgende Namen lautend.«
    Neben den grobkörnigen Schnappschüssen von Knutson auf dem Bett mit den nackten Kindern breitete ich die Daten meiner Familie aus. Knutson warf mir die Chip-Pistole zu.
    »Hier. Nimm das verdammte Ding. Keiner wird es vermissen in all dem Durcheinander. Es ist einfach zu benutzen, zum Eingeben nimmst du diese Tasten – und dann diese.«
    Ich bündelte die Fotos und

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