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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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sie. Wir lieben uns mehr, als irgendein Mensch einen anderen lieben kann in dieser großen Stadt!
    Unsere Liebe, dachte sie, ist ein einziges Wunder!
    Und dann hörte sie auf zu atmen, und sie fiel, stürzte durch diese lange, dunkle Nacht, klammerte sich an ihn, an seine schwarze, schweißnasse Haut, und sie fühlte seine Kraft und seine Hitze und seinen Willen, spürte seinen Rhythmus, der nun der ihre wurde, und es war der Takt der Musik, nach der sie beide tanzten, Tag um Tag, Woche um Woche, song-of-freedom, und sie tanzten ihn, diesen Song, engumschlungen in ihrer Umarmung, aneinander gekrallt, als könnten sie sich verlieren, und sie warf den Kopf zurück in das zerwühlte Kissen, wurde steif wie ein gespannter Bogen und schrie, und schrie, als sei sie mit diesem Mann allein auf dieser Welt, bäumte sich auf, schlug um sich vor Lust und Ekstase, sog mit einem langen, gierigen Atemzug die heiße, stickige Luft dieser Kammer in sich hinein, all den Dunst, den Schweiß und den scharfen Geruch ihrer Körper, warf den Kopf hin und her, hin und her, wie in Trance, und eine Welle nach der anderen brandete über sie hinweg, verschlang sie, bis die Zeit stehenblieb, bis alle Geräusche dieser Stadt verstummten und die Lichter hinter dem schmalen Fenster endgültig verlöschten.
    So war das in dieser Nacht. Und sie wusste nun sicher, dass es wirklich niemanden gab, nur sie und ihn, die sich wirklich liebten. Niemanden außer ihnen! Nicht in dieser Stadt und nirgends sonst auf dieser Welt. Und sie tastete nach seiner Hand.
    Er lag neben ihr in diesem schmalen Bett. Vor dieser hellen, fleckigen Wand. Ein dunkler Schatten. Regungslos und erschöpft. Sie ließ ihre Fingerspitzen zärtlich wandern, über sein Gesicht, über seine Haare, über diese heiße, samtige Haut. Und er ergriff ihre Hand und presste sie auf seinen Mund. Nein, es gab niemanden außer ihnen. Nirgendwo. Nur sie beide!
    Sie waren allein! Ganz allein! Und das war das Geheimnis ihres Glücks!
    Die Zeit schien immer noch stillzustehen. Der Griff, mit der er ihre Hand umklammert hielt, löste sich langsam. Seine Atemzüge wurden tief und gleichmäßig. Sonst hörte sie nichts. Absolut nichts.
    Nicht das Tosen des Verkehrs, dieses dumpfe Brausen, das in allen anderen Nächten über dieser Stadt hing wie eine Glocke und sie nicht zur Ruhe kommen ließ.
    Nicht die Löschzüge der Feuerwehr, die so oft schrillend durch die Straßenschluchten jagten.
    Nicht das aggressive Heulen der Sirenen, ankommend und wieder verebbend, Streifenwagen und Ambulanzen im Einsatz.
    Nichts kündete mehr von den vielen Katastrophen, die sich in jeder Minute ereigneten, irgendwo in dieser gigantischen Stadt. Selbst die zehntausend Hupen waren jetzt verstummt, diese vertraute nächtliche Symphonie immer wiederkehrender Kadenzen, vervielfacht und zurückgeworfen von den hohen Mauern.
    Nichts hörte sie mehr. Nicht das Geschrei der Kinder im Treppenhaus, nicht das Schwatzen der Alten, unten auf der Straße, dieses Gezeter und Gekeife, bis weit in den Morgen hinein, in diesen heißen Sommernächten.
    Die Riesenstadt schien den Atem anzuhalten, war plötzlich und ganz unbegreiflich erfüllt von einer geradezu gnadenlosen Stille. Seit Minuten schon. Oder seit einiger Ewigkeit.
    Es war ihr, als sei sie plötzlich taub. Und blind. Die Finsternis um sie herum war erschreckend und fremd. Die Wände ihrer Kammer reflektierten nicht mehr die bunten Lichterspiele der fernen Leuchtreklame. Das stete, gleichmäßige Flackern. Rot – Grün – Gelb. Den Widerschein der erleuchteten Fassade. Der Straßenlampen. Der vorüberhuschenden Scheinwerfer.
    Selbst sein Schatten neben ihr war verblasst. War verschmolzen mit dieser so überraschend über sie hereingebrochenen Dunkelheit. Hatte sich aufgelöst, verflüchtigt.
    Erschrocken lauschte sie auf seinen Atem. Tastete nach ihm. Nach seinem Körper, der doch dicht neben ihr lag. Und erst diese Berührung löste sie von dem Grauen, von diesem Schock, der sie plötzlich überfallen hatte.
    Sie setzte sich auf. Das kalte Eisen des Bettrahmens brannte unter ihren Schenkeln, berührte die feuchten Lippen ihrer Scham und jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken.
    Sie klammerte sich mit beiden Fäusten fest an das Metall, tastete mit den Zehenspitzen über die abgetretenen Dielen und starrte durch die Schwärze dieser Nacht auf das kaum wahrnehmbare und nur unmerklich hellere Rechteck des Schiebefensters.
    Schwankend und noch etwas benommen stand sie

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