Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke

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»Praktisch gesehen gehen wir in ihnen auf. Keiner, der über ein Gehirn mit einer Leistung von einhundert Billionen Neuronen verfügt, sehnt sich nach einem menschlichen Verstand mit einer Einhundert-Milliarden-Neuronen-Kapazität zurück.«
    »Also werden wir ganz einfach verdrängt«, mutmaßte Jimmy.
    »Wir werden integriert«, verbesserte Arbogast. »Subsumiert. Es ist ja nicht so, dass wir von der Bildfläche verschwinden würden … die nützlichen Bestandteile des Menschen bleiben schon noch erhalten.«
    Jimmy hatte den Eindruck, dass Arbogast um ein Haar hinzu gefügt hätte, an einem Menschen gäbe es nicht viel Nützliches, sich jedoch vor schlichten Gemütern wie ihm und Mira diese Bemerkung verbiss.
    »Haben wir vielleicht eine Macke?«, fragte Mira. »Weil wir bei Augie versagt haben?« Zu Jimmys Besorgnis schraubte sich ihre Stimme schrill in die Höhe.
    »Nein«, beschwichtigte Arbogast sie. »Wie ich Ihnen bereits sagte, sind mir etliche solcher Fälle bekannt. Ich könnte Ihnen Geschichten über Leute erzählen, die unentwegt die Intelligenz ihrer Kuscheltiere optimieren, oder sich am laufenden Band bioveredelte Kätzchen, Hundewelpen, Eidechsen, Ratten und Mäuse bestellen …«
    »Bitte nicht«, lehnte Mira ab und sah Jimmy an. »Nicht jetzt.«
    »Hören Sie schon auf«, grollte Jimmy. »Lassen Sie sie einen Augenblick lang in Ruhe.«

    * * *

    Augie flitzte auf Arbogasts kleinem Monitor hin und her, wild mit den Armen fuchtelnd und stumme Schreie ausstoßend – ein wahnsinniger Cherub, der sich abquälte, trotz des abgeschalteten Tons eine Kommunikation herzustellen.
    Er kam an den Bildschirm gerannt und trommelte mit seinen winzigen Fäustchen dagegen, als wäre er hinter einem Fenster. Einen Moment lang schien es, als würde er den Schirm von innen zerschmettern. Vorwurfsvoll starrte er sie aus großen blauen Augen an.
    Jimmy streifte Mira mit einem Blick und staunte über ihre Ruhe, die indessen trügerisch war; immer noch erklomm sie einen emotionalen Gipfel und konnte jeden Augenblick in ein tiefes Loch fallen.
    Als er wieder auf Arbogasts Koffer schaute, war Augies kleines Bild verschwunden.
    Mira blies den angehaltenen Atem aus.
    Jimmy stand auf und ging aus dem Zimmer. Blitzartig wurde ihm klar, dass für Mira alles vorbei war, doch er fragte sich, wann er je von ihr loskommen würde. Vielleicht begehrte er sie immer noch – jetzt, da sie von Augie befreit war.
    Den kleinen Dreckskerl konnte ich nie leiden, gestand er sich ein.
    »Ich nehme an, im Grunde ist es nichts weiter als ein Haufen Elektronen«, hörte er sie sagen, doch ihre Stimme klang hohl ob des erlittenen Verlustes, und er spürte, wie sich in ihm ein Schlund auftat.
    Arbogast erwiderte: »Sicher, eine Ansammlung elektronischer Muster, so wie Sie und ich ein Konglomerat irgendwelcher biochemischer Faktoren sind. Die Art der Zusammensetzung macht den Unterschied aus.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Mira halb konsterniert, halb feindselig.
    »Sie fühlen sich zu Recht betroffen. Niemand wird als Persönlichkeit geboren. Nichts besitzt von Anfang an Charakter. Was immer neu auf die Welt kommt, muss sich erst zu einem Individuum entwickeln. Das ist ein andauernder Lernprozess.«
    In seinem sicheren Versteck in der Küche brannte Jimmy darauf, ihre Antwort zu hören; doch sie sagte nichts.
    »Augie ist missraten«, fuhr Arbogast fort, »und darüber ist er sehr unglücklich. Wenn Sie sich diesen Umstand stets vor Augen halten, werden Sie sich damit abfinden, dass es das Beste ist, ihn nicht länger im Haus zu haben.«
    Jimmy ging ins Wohnzimmer zurück und setzte sich neben Mira. Ihr Gesichtsausdruck war gefasst, und er gewann den Eindruck, dass ihre Beherrschtheit dieses Mal echt war.
    »Trauern Sie ihm nicht nach«, riet Arbogast, sie beide anschauend. In unbequemer Haltung kauerte er vor dem Couchtisch und schickte sich an, etwas aus einer Seitenwand des Koffers zu entfernen.
    Schließlich zog er eine Art schwarzen Stift heraus.
    »Was ist das?«, erkundigte sich Mira.
    »Augie Nummer Eins. Er ist hier drin, für den Fall, dass Sie noch einmal von vorn anfangen wollen.«
    »Was!«, schrie Mira und hielt sich die Hand vor den Mund.
    Arbogast legte den Stift zwischen die Koffer auf den Tisch. Mira starrte den dünnen schwarzen Bolzen an. Erstickte Laute drangen aus ihrer Kehle, während sie um Fassung rang.
    »Und was jetzt?«, fragte Jimmy, während sich die Höhle in seinem Bauch zu einer endlosen finsteren