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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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auf. Die Dielen knarrten unter ihren Füßen. Ein lauer Lufthauch strömte ihr entgegen, kühlte ihre nackte, überhitzte Haut. Sie stieß mit dem Knie gegen den einzigen Stuhl, den sie besaßen. Der stürzte krachend gegen die Wand, und erst sehr viel später spürte sie den Schmerz.
    Da wusste sie, dass sie nicht träumte. Dass alles wahr war, was sie sah und fühlte. Auch wenn es nicht zu begreifen war.
     
    Die Stadt lag in absoluter Finsternis. Die blutrote Kuppel, aus Dunst und Smog, angestrahlt vom Licht der Millionen Lampen, die sich sonst darüber wölbte, war verschwunden, war aufgesogen worden von dieser alles verschlingenden Nacht. Und zum ersten Mal war dieser Himmel für sie übersät von glitzernden, zitternden Sternen.
    Die Türme, diese gigantischen Quadern, Riesen-Kuben aus Beton und Glas, die über das Häusermeer ragten, und die sonst leuchteten wie Kristalle, wie Lampen, eingeschmolzen in Eis oder Quarz, waren versunken, ausgelöscht, nur noch als vage Umrisse zu erahnen, verhangen von einem düsteren Schleier.
    Keines dieser hunderttausend Fenster war erleuchtet. Kein einziges. Und die Straßenschluchten waren angefüllt mit mattschwarzer Tusche bis zum Rand.
    Ganz anders als damals, beim großen Black-out, dachte sie. Als New York im Chaos versank. Damals waren die Straßen taghell angestrahlt von den Scheinwerfern der eingekeilten Autoschlangen.
    Die schoben sich langsam, im Schritttempo, über ampellose, blockierte Kreuzungen, durch das Gewimmel der aufgeschreckten Menschen, umzingelt von fliehenden Gruppen der Plünderer. Und das war nicht nur hier oben in Hartem so. Auch weiter unten in Midtown. Und drüben in der Bronx und in Brooklyn.
    Heute tasteten sich keine Scheinwerferkegel durch die Straßen. Brandete kein Lärm herauf in diese winzige, dumpfige Kammer. Erstickt, dachte sie. Die ganze Stadt ist erstickt!
    Aber diese Totenstille und diese unermessliche Finsternis erschreckten sie nicht. Denn dort in der Dunkelheit, nur zwei Schritte entfernt, lag er. Und sie war bei ihm, war in seiner Nähe. Es konnte ihr nichts geschehen!
     
    Es war lange nach Mitternacht. Sie musste jetzt schlafen, musste fit sein für morgen früh. Für das Training. Sie würde tanzen, tanzen. Tanzen mit ihm. Den ganzen Tag. Sie hatte den Rhythmus im Ohr, in den Armen, den Beinen: eins, eins, eins und zwei und … eins und zwei und …
    Sie stieß die Arme in die Luft. Eins, eins, und Drehung, Sprung, Hände in die Hüften, Drehung, Sprung, Kopf zurück und zwei und drei und aus und Grundstellung. Und dann das Ganze noch mal von vorn.
    Die Dielen zitterten. Die nackten Füße fanden ihre Positionen trotz dieser Dunkelheit. Auf diesen anderthalb mal anderthalb Metern. Zwischen dem umgestürzten Stuhl und dem Schiebefenster. Zwischen Waschbecken und eisernem Bett. Eins, eins und eins und zwei und …
    Sie wusste, sie würden es schaffen, sie beide. Noch zwei, drei Jahre in dieser Hinterhof-Schule, diesem Trainings-Center, von denen es Hunderte gab. Dann ist es soweit: Sie würden sich melden, High School of Performing Arts, würden vortanzen, eins, eins, eins und zwei und … Man würde applaudieren, ihnen gratulieren. Akzeptiert. Eingekauft. Sie würden dort noch härter arbeiten müssen, geschunden werden, aber sie wären raus hier, endlich raus aus diesem Getto. Und irgendwann, irgendwo, auf irgendeiner Bühne: Umjubelt! Ganz groß! Und berühmt! Eines Tages. Irgendwann. Und sie wusste es, sie beide, sie würden es schaffen!
     
    Da stoppte sie abrupt, stand unbeweglich und starr und lauschte wieder in diese Nacht hinein. Lange Sekunden. Aber sie hörte nichts. Immer noch nichts. Keinen Laut, kein Geräusch!
    Keine Stimmen von nebenan. Wie sonst, Tag und Nacht.
    Keine Musik. Vom Hof herauf oder aus dem Zimmer darunter.
    Auch das Geplärr, dieser Wirrwarr aus den zahllosen, bläulich flackernden Fernsehgeräten hinter den offenen Fenstern, unter ihnen, neben ihnen, gegenüber, war verstummt. Vielleicht ging auch nur ihr eigener Atem zu laut, und das Blut pochte in ihren Ohren.
    Sie presste die Hand gegen ihre nassen Schläfen, auf ihre Augen, auf ihren Schoß. Dann tastete sie sich zum Waschbecken. Aber es lief kein Wasser aus dem Hahn.
    Das Handtuch war zu Boden gefallen. Es war feucht und roch sauer. Sie tupfte sich den Schweiß von der Stirn, trocknete die Arme, die Brust, die Schenkel.
    Dann legte sie sich wieder hin, zu ihm, in das schmale Bett und zog das Laken über ihre beiden nackten Körper. Sie war

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