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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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lief auf halber Kraft; offenbar hatte sich jemand zu der Erkenntnis durchgerungen, dass Bundesrichtern – ungeachtet der enormen Preise für sämtliche Emissionen verursachenden Energieformen – doch etwas Entlastung von der New Yorker Luft zustand. Dennoch konnte Dee kaum atmen.
    Eliot hatte sich mit den Richtern auf einen Handel geeinigt, von dem Dee annahm, dass er ihn sein gesamtes Guthaben an Gefallen, die ihm von irgendeiner Seite geschuldet wurden, gekostet hatte. Perri bekannte sich des Besitzes genmanipulierter Güter Klasse drei schuldig.
    »Nach eingehenden Beratungen schließt sich das Gericht in diesem Fall den Empfehlungen des Staatsanwaltes an«, erklärte der Vorsitzende mit gelangweilter Stimme. »Sechs Monate Haft ohne Möglichkeit vorzeitiger Entlassung wegen guter Führung und danach sechs Jahre Bewährung. Herr Anwalt, haben Sie dem etwas hinzuzufügen?«
    »Nein, Euer Ehren«, sagte Eliot.
    »Gerichtsdiener, den Häftling abführen.«
    Und das war alles. Wie oft hatte Dee das hier schon miterlebt, wie oft selbst eine Rolle dabei gespielt? Dutzende, vielleicht Hunderte Male. Aber jetzt ging es um Perri.
    »Ich hab dich lieb, Dee!«, rief sie, als man sie hinausbrachte, und Perris Versuch eines Lächelns für ihre Schwester brach Dee beinahe das Herz.
    »Nächsten Monat kannst du sie besuchen«, sagte Eliot trübsinnig.
    »Falls sie nächsten Monat noch lebt.«
    Er dachte praktisch. »Hast du ihr Gefängniskonto bis zur erlaubten Höchstsumme gefüllt?«
    »Na sicher!«, fuhr Dee ihn an. »Ich weiß schließlich, wie das System funktioniert!«
    »Leider«, seufzte Eliot. »Kann ich dich zum Mittagessen einladen?«
    »Nein«, antwortete Dee brutal. »Bleib du lieber hier drinnen, die Luft ist heute fürchterlich. Ich gehe heim.«
    »Dee … ich habe getan, was ich konnte.«
    Das hatte er wirklich. Aber Dee war zu aufgebracht, um ihm das zuzugestehen.
    Zu Hause überprüfte sie ihre nicht rückverfolgbaren Geldchips, die sie überall in der Wohnung versteckt hatte, dazu die völlig legale Überwachungseinrichtung und das nicht völlig legale Nervengas. Wenn Mike auftauchte, würde sie sich entweder den Weg zu diesem Schiff und zu Beweismaterial für ein Berufungsverfahren erkaufen oder den Kerl zu einem handlichen Päckchen verschnüren und den Behörden zur weiteren Verfolgung der Angelegenheit übergeben. Wozu sie sich in diesem Fall sogar bequemen könnten, wenn sie schon einen echten, lebendigen Verdächtigen ins Haus geliefert bekamen.
    Das Geld war sicher untergebracht. Wie jeden Abend seit einer Woche schluckte sie auch heute die eklige Flüssigkeit, die sie selbst zwölf Stunden lang vor den Auswirkungen des Nervengases schützen würde. Sie stammte aus Militärbeständen, und ihr Besitz war im höchsten Maße ungesetzlich. Es war Dee herzlich egal.
    Und dann versuchte sie zu schlafen.
     
    Heute war die Luft ganz besonders übel. Sie war bis zum Ersticken angereichert mit Schadstoffen, und der CO 2 -Wert lag gewiss bei null Komma sieben-fünf. Wann hatte sie sich denn derart verschlechtert? Dee hatte äußerste Mühe zu atmen, sie konnte nicht mehr atmen …
    Es schnürte ihr die Kehle zu, und sie erwachte.
    Ein Strick war um ihren Hals gewickelt, um die Beine, die Arme … nein, ein Arm war noch frei. Verzweifelt arbeitete sie sich mit einem Finger unter den Strick an ihrem Hals; er gab etwas nach, und sie konnte ihn weit genug von der Haut wegziehen, um nach der stinkenden Luft zu schnappen. Aber das würde nur einen Augenblick lang funktionieren, der Angreifer wartete sicher …
    Es gab keinen Angreifer. Sie war allein in ihrer Wohnung, umwunden und fast erwürgt von zähen grünen Schlingpflanzen, die sie unter ihrem Blattwerk fast begraben hatten. Dee schrie ein einziges Mal auf, doch dann sprangen ihre Polizistenreflexe an. Sie spannte jeden Muskel an, um festzustellen, wo es lockere Stellen gab, und entdeckte einen Trieb, der sich noch nicht vollständig sowohl um das Bett als auch um ihren Körper gewunden hatte. Sie krümmte sich so lange, bis es ihr gelang, mit ihrer freien Hand das lose Ende des Triebes bis zum Mund zu führen, ohne den Zeigefinger unter der Schlinge um ihren Hals hervorziehen zu müssen. Sie fasste den Trieb mit den Zähnen, ihrer einzigen Waffe, und biss zu.
    Der Trieb teilte sich und hatte nun zwei Enden. Hektisch fasste sie nach einer anderen Ranke, an die sie gerade noch herankommen konnte. Die Dinger wuchsen vor ihren Augen … Dee konnte effektiv sehen,

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