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Regenbogen-Welt (German Edition)

Regenbogen-Welt (German Edition)

Titel: Regenbogen-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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DAS INSEKTENVOLK
     
     
    Saha war eine Schönheit. Ihr schillernder, grüner Chitinkörper
mit den langen graziösen Gliedmaßen zog, wo immer sie auftauchte, die Blicke
der anderen auf sich. Wie kleine Propeller drehten sich ihre zarten Fühler im
Kreis. Immer aufmerksam auf der Suche nach ungewöhnlichen Geräuschen oder Bewegungen.
Trillernd und sich wendend, tasteten sie ihre Umgebung ab. Sie waren die
Richtantennen, auf die sich Saha verließ. Sie informierten sie über Geschmack,
Geruch, Temperatur und Feuchtigkeit. Über die Welt, in der sie lebte.
    Saha war eine Gottesanbeterin, wie sie im Buche stand.
    Ihr Freund Ishtar konnte seine bewundernden Blicke kaum von ihr
wenden. Er stand völlig im Bann ihrer dicht bewimperten Augen, deren Lider sie
kokett auf- und abschlug, wenn sie ihn ansah. Saha wusste ihren Willen
durchzusetzen. Dabei baute sie gezielt auf die Macht der weiblichen Reize. Und
davon hatte sie mehr als genug. Sie besaß jene Schönheit, die an Arroganz
grenzte, ohne dass diese wirklich ihrem Naturell entsprach.
    Saha lebte, wie viele der vier bis fünf Millionen Arten des
Insektenvolkes, in einer Welt voller Farben. Doch sie nahm nicht dieselbe Skala
wie die anderen Lebewesen dieser Welt wahr. Sie unterschied sich von ihnen. Ihr
Sehvermögen war besonders ausgeprägt. Es war eines ihrer stärksten
Sinnesorgane. Ihre Sinne spielten in ihrem Leben eine große Rolle. Sahas
Geschmacksorgane saßen nicht im Mund, sondern an den Füßen der Vorderbeine. So
konnte sie ihre Nahrung schmecken, indem sie darauf herumlief. Und auch ihr
Tastsinn war hochentwickelt. Er übertrug alle Umweltreize, was in Saha eine
große Bandbreite von Gefühlen auslöste.
    Ein Großteil dieser Gefühle galt Ishtar.
    Als sie ihn das erste Mal erblickte, wusste sie: Sie wollte ihn!
Nur ihn! Sein blau und silbrig schimmernder Körper flog sirrend an ihr vorbei,
und sie wusste, dass die Königs-Libelle der Partner fürs Leben für sie war.
Seine durchsichtigen, filigranen Flügel schlugen so schnell, dass nur Sahas
scharfe Augen die Bewegung wahrzunehmen vermochten.
    Ishtar war sowohl Galan als auch raubgieriger Jäger der Lüfte.
Gleitend und schwebend mit der Luft verbunden, war er zu ausdauernden Flügen
fähig. Dabei erreichte er mühelos bis zu hundert Stundenkilometer. Dadurch
hatte er noch einen besonderen Vorteil im Kampf um Sahas Gunst. Nur Ishtar
vermochte über den Wolken zu schweben. Nur er vermochte einen flüchtigen Blick
in die Welt über ihnen zu werfen. Was er darüber zu erzählen wusste, wobei er
mit männlichem Stolz übertrieb und ausschmückte, ließ Sahas Augen leuchten, und
das wiederum machte ihn glücklich. Denn ihr Glück hatte für ihn Vorrang. So
folgte er nur zu gern ihrer Aufforderung, mehr über die zweite Welt zu
erzählen.
    Saha wurde nicht müde, ihm zuzuhören. Längst war ihr die eigene
Welt viel zu klein geworden. Der Wunsch, die weiteren drei über ihnen liegenden
Ebenen zu durchwandern und letztendlich in die fünfte der Regenbogen-Welt
vorzustoßen, wurde von Monat zu Monat stärker. Mit schwärmerischem Tonfall
erzählte sie ihren Freunden von den fünf Welten, die sich, vereint zu einem
Regenbogen, über das Universum spannten. In der unteren hatte das Insektenvolk
seine Heimat gefunden. Es lebte dort friedlich und zufrieden vor sich hin. Nur
in Saha wollte sich diese Zufriedenheit einfach nicht einstellen. In ihren
zarten Venen floss Abenteuerblut. In ihr war etwas, das ihr sagte, sie sei zu
Höherem berufen.
    Auch das erzählte sie freimütig jedem, der es hören wollte oder
auch nicht. Sie trug ohnehin das Herz auf der Zunge. Beides handelte ihr bei
den Alten ein verständnisloses Kopfschütteln und den Beinamen „die Verrückte“
ein, was sie nicht sonderlich störte. Ihr war es völlig gleichgültig, was
andere über sie dachten. Wenn man hinter dem Rücken über sie tuschelte, warf
Saha den Kopf in den Nacken und streckte ihre langen schlanken Beine von sich.
Spätestens dann verstummte das Getuschel.
    Zumindest das der männlichen Wesen dieser Welt.

     
    Die Sonne ging schlafen und schickte den Mond an den Himmel. Er
breitete sein silbern schimmerndes Gewand über die Welt und beleuchtete den
Baum, in dem Saha und ihre Freunde saßen. Wie immer schlugen Ishtars Flügel
neckend über Saha hinweg, bevor auch er sich auf einem Zweig nicht weit neben
ihr niederließ. Ihr hübsches Puppengesicht trug blitzschnell und gekonnt
vorbildlich gespielte Empörung zur Schau. Ishtars

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