Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land
für Sachen? Sie senkt den Kopf. Dann antwortet sie leise: »Jena.« Der Baum. Die Galgenschlingen. Wie sieht sie denn die Beziehung zwischen schwarz und weiß? »Ich halte mich nicht für etwas Besseres und ich behandle jeden gleich«, erwidert sie fest. Nach einem Augenblick des Zögerns fügt sie noch hinzu: »Und ich möchte auch genauso behandelt werden.« Diese Antwort ist gutwillig – und sie lässt keinen Zweifel an der gesellschaftlichen Rangordnung. Kaum etwas ist aufschlussreicher, als wenn jemand meint, betonen zu müssen, sich nicht für etwas Besseres zu halten.
Was würde Melanie sagen, wenn ihre beste Freundin einen Schwarzen heiraten wollte? »Ich hätte kein Problem damit. Meine Eltern vielleicht schon, sie stammen eben aus einer anderen Generation.« Wieder kommt nach kurzem Zögern ein Nachsatz: »Allerdings empfinde ich persönlich diese Art der Anziehung nicht.« Aber sie sei ja sowieso verheiratet. »Diese Art der Anziehung« ist eine wunderbare Formulierung. Nicht um einen Einzelnen geht es also, von dem man angezogen wird – gleich die ganze Gruppe findet man attraktiv oder eben nicht.
Das Gespräch erinnert mich an eine Szene, an die ich seit Jahren nicht mehr gedacht habe. Kurz vor der Hochzeit mit meinem kenianischen Mann fragte mich eine linke, feministische Schriftstellerin, die ich erst an diesem Tag kennengelernt hatte, in größerer Runde: »Sag mal, wie sind denn nun die Schwarzen eigentlich wirklich im Bett?« Damals hat es mir schlicht die Sprache verschlagen. Leider. Erst auf dem Heimweg fielen mir die bissigen Reaktionen ein, die angemessen gewesen wären. Übrigens bin ich überzeugt, dass man Melanie New unrecht täte, wollte man ihr unterstellen, eine bekennende Rassistin zu sein. Das ist sie bestimmt nicht. Wäre sie es, dann wären wenigstens die Fronten klar. So jedoch vergrößert das Gespräch nur meine Ratlosigkeit.
In Mobile kann man nicht nur alte Herrenhäuser anschauen, sondern auch ein riesiges, altes Kriegsschiff: Die USS Alabama, die während des Zweiten Weltkriegs im Pazifik eingesetzt war. Sie ist Teil eines Militärparks, in dem es auch Flugzeuge, ein U-Boot, Panzer und mancherlei mehr zu besichtigen gibt – insgesamt »sechs Jahrzehnte des Heldentums vom Zweiten Weltkrieg bis zur irakischen Freiheit«, wie ein Werbefaltblatt verspricht.
Auffallend viele kleine Jungen laufen hier herum, manche in Militärkleidung für Kinder. Ein erschwingliches Vergnügen: Vom Tarnanzug bis zur Fallschirmjägeruniform werden im Internet für weniger als 15 Dollar komplette Kampfausrüstungen für den Nachwuchs angeboten. Wer mag, kann bereits seinem Baby eine Windel-Tarnhose kaufen. Den Helden von morgen wird hier schon heute einiges geboten. In einem Simulator, wie er ähnlich auch bei uns auf Rummelplätzen zu finden ist, darf man für 4,75 Dollar als Pilot eines Jagdbombers an der Operation Desert Storm über dem Irak teilnehmen. Draußen vor dem Eingang steht ein echter Langstreckenbomber: die Calamity Jane, die während des Vietnamkrieges für Flächenbombardements eingesetzt wurde.
Eine der Hauptattraktionen des Geländes ist ein U-Boot, das ebenfalls im Zweiten Weltkrieg unterwegs war. Innen hängt eine Plakette, auf der vom Zusammengehörigkeitsgefühl der Soldaten dieser Waffengattung die Rede ist: »Du bist für immer Mitglied einer sehr kleinen und einzigartigen Familie, und du bist ein Mitglied des stillen ›Dienstes‹, und wann immer du einen Soldaten von einem Unterseeboot triffst, ist es so, als ob du ihn schon immer gekannt hast, auch wenn ihr euch gerade erst getroffen habt.« Deutlicher kann man kaum ausdrücken, dass die Mission für wichtiger gehalten wird als das Individuum. Aber welcher kleine Junge kann einem solchen Pathos widerstehen? Das ungebrochene Verhältnis zu Militär und Krieg, das sich hier widerspiegelt, finde ich schwer erträglich. Wie ertragen es die Millionen Amerikaner, die ebenfalls eine andere Haltung zu solchen Fragen haben, als sie in dem Militärpark zum Ausdruck kommt? Wahrscheinlich reisen sie gar nicht erst an.
An diesem Abend übernachte ich bereits in Florida. Viel werde ich vom »Sonnenschein-Staat«, wie der Beiname lautet, nicht mitbekommen. Ich möchte nämlich nur eine Nacht in seinem Norden auf dem Weg nach Georgia verbringen und nicht etwa 800 Kilometer weit in den Süden eines Bundesstaates fahren, von dem ich annehme, dass er zwar große Vorteile für überwinternde Rentner und Urlauber bietet, aber sonst
Weitere Kostenlose Bücher