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Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)

Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Frebel
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Hertzsprung-Russell-Diagramm kann da nicht mehr weiterhelfen. Das Aufklauben kleinster Mengen von interstellarem Gas während der langen Lebensdauer eines Sterns ist durchaus möglich, würde seine Atmosphäre aber chemisch verunreinigen. Zum Glück haben metallarme Sterne im Halo der Milchstraße relativ hohe Geschwindigkeiten im Vergleich zum Gas, so dass das Aufsammeln von Materie extrem schwierig ist. Aus einem schnell fahrenden Auto heraus kann man wohl kaum etwas vom Straßenrand aufsammeln, während man z.B. beim Gehen einfach etwas mitnehmen könnte. Dementsprechend stellen diese beiden Überlegungen kein größeres Problem für die Stellare Archäologie dar.
    Schließlich findet innerhalb jedes Sterns über die Jahrmilliarden seines Lebens hinweg eine gewisse Sedimentation statt. Atome aus der Oberfläche, besonders in der Hauptreihenphase, können durchaus – sehr langsam natürlich – herunter in Richtung Zentrum sinken. Auch dieser Prozess kann die chemische Zusammensetzung der Oberfläche ändern, da verschieden schwere Elemente verschieden schnell sinken. Zum Glück sind diese Effekte für alle Sterne ungefähr gleich und können theoretisch auch grob quantifiziert werden.
    Obwohl ein weiterer Vorgang ebenfalls zu einer Veränderung der Oberflächenzusammensetzung führt, ist ein Massentransfer zwischen Sternen in einem Doppelsternsystem die einzige Ausnahme. Denn wie in Kapitel 5 ausgeführt wird, macht dieser Vorgang den Empfängerstern für die Stellare Archäologie dennoch nicht unbrauchbar.

5. NeutroneneinfangProzesse und
die schwersten Elemente
    Die Nukleosynthese der chemischen Elemente bis hin zu Eisen ist die Energiequelle jedes Sterns. Aus Eisen lässt sich aber keinerlei weitere Energie mehr gewinnen, so dass auf diesem Weg keine schwereren Elemente mehr erzeugt werden können. Doch auf welche Weise konnten so viele schwerere Elemente entstehen, die sich im unteren Teil des Periodensystems befinden? Ihre Entstehung muss also durch andere Prozesse als die Kernfusion vor sich gegangen sein. Paradoxerweise sind es dabei vermehrt radioaktive Zerfallsprozesse, die es letztendlich ermöglichen, diese schweren Elemente zu erzeugen. Die Synthese von Elementen schwerer als Eisen ereignet sich schrittweise, da dieser Vorgang durch einen wiederholten sogenannten Neutroneneinfangprozess ermöglicht wird.
    Bei einem Neutroneneinfangprozess wird ein schon vorhandener »Saatkern«, z.B. ein Kohlenstoff- oder Eisenkern, mit Neutronen beschossen. So entsteht im Fall von Eisen zunächst ein extrem neutronenreiches Eisenisotop. Da die Protonenzahl sich jedoch nicht verändert hat, bleibt der Kern ein Eisenkern, der aber durch die erhöhte Anzahl der Neutronen instabil geworden ist. Dies bedeutet nichts anderes, als dass der Kern seine überschüssigen Neutronen wieder verlieren möchte. Dies geschieht durch Zerfallsprozesse, wodurch neue stabile Isotope verschiedener Elemente entstehen. Wenn sich ein Neutron spontan in ein Proton verwandelt (β-Zerfall), entsteht z.B. aus einem neutronenreichen Eisenkern ein um eine Ladungszahl schwereres Element, nämlich Kobalt. Dieser Vorgang ist in Abbildung 5.1 dargestellt.

Abb. 5.1 : Ein Eisenatom (ein »Saatkern«) wird durch Neutronenbeschuss und anschließendem β-Zerfall in ein schwereres Kobaltatom verwandelt.
    Eisenkerne oder die Kerne ähnlicher Elemente müssen also mit extrem vielen Neutronen beschossen werden, um Stück für Stück ein schwereres Element nach dem anderen zu erzeugen. Dieser Prozess läuft bis hin zur Erzeugung der ganz schweren Elemente wie z.B. Bismut, das 83 Protonen und 126 Neutronen besitzt. Bismut ist kein wirklich stabiles Element, denn es zerfällt innerhalb von 19 Trillionen Jahren (entspricht 1 Million Mal dem Alter des Universums) durch einen α-Zerfall in Thallium. Das schwerste wirklich stabile Element ist Blei mit 82 Protonen und 125 bis 127 Neutronen. Als Beispiel für die Elementproduktion zeigt Abbildung 5.2 die Verteilung der Häufigkeiten der Sonne von Wasserstoff bis Blei.
    Da die Zeitskalen, in denen dieser Neutroneneinfangprozess durch einen Saatkern stattfindet, eine fundamentale Rolle für die Bildung aller dieser Elemente spielen, unterscheidet man zwischen dem langsamen (»slow«) »s«-Prozess und dem schnellen (»rapid«) »r«-Prozess. Diese beiden Prozesse finden in sehr unterschiedlichen astrophysikalischen Orten statt, an denen die notwendigen Neutronenflüsse auf verschiedene Weisen erzeugt werden können.

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