Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
Sie werden im Folgenden genauer betrachtet.
5.1. Was Neonröhren mit Riesensternen zu tun haben: Die s-Prozess-Elementsynthese
Gegen Ende seines Lebens stößt ein Stern mit weniger als acht Sonnenmassen seine gesamten äußeren Gasschichten ab, welche später als hübscher Planetarischer Nebel beobachtet werden können. Kapitel 4 beschreibt diese Vorgänge ausführlich. Detaillierte chemische Analysen dieser Nebel haben ergeben, dass sie viele schwere Elemente beinhalten. So findet man dort z.B. Neon, Germanium, Selen, Brom, Krypton, Xenon und Rubidium. Die meisten dieser Elemente verbinden sich in unserer Vorstellung vielleicht eher mit Leuchtreklamen und Neonröhren. Denn als Gas in Lampen leuchtet Neon orange-rot, Krypton weiß und Xenon blau-lila. Diese bunten Farbeffekte verdanken wir der Existenz dieser Riesensterne. Denn diese Elemente wurden vor langer Zeit im s-Prozess erzeugt, der in den äußeren Sternschichten vor dem Abstoßen der äußeren Hülle ablief. Lange bevor die Elemente während der Entstehung des Sonnensystems und der Erde in unseren eigenen Planeten gelangten und lange bevor sie für Leuchtreklame benutzt wurden.
Abb. 5.2: Das Elementhäufigkeitsmuster der Sonne (hier auf Silizium und nicht auf Wasserstoff normiert). Es beschreibt den Stand der chemischen Entwicklung vor 4,6 Milliarden Jahren.
Der s-Prozess läuft noch während der Sternentwicklung ab. Er findet in Sternen mit etwa zwei bis acht Sonnenmassen statt, die sich in ihrem letzten Entwicklungsstadium auf dem asymptotischen Riesenast befinden. Diese letzte Phase dauert nur noch weniger als 1% der Stern-Lebenszeit. Der zu einem kühlen Riesen gewordene Stern besitzt eine weit ausgedehnte äußere Atmosphäre, in der der Energietransport zur Oberfläche nur durch Konvektion vor sich geht. Diese Hülle, die inzwischen einige hundert Sonnenradien dick ist, pulsiert regelmäßig, wodurch sie immer wieder mit frischen s-Prozess-Elementen aus tieferen Schichten durchmischt wird. Der Stern ähnelt dabei einer riesigen Beton-Mischmaschine. Durch das Mischen verändert der Stern die chemische Zusammensetzung seiner Oberflächenschichten. Durch starke Sternwinde werden die neuen Elemente dann von der Oberfläche aus in das interstellare Medium entlassen. So verlieren diese massearmen oder mäßig massereichen Sterne etwa alle 100 000 Jahre eine Sonnenmasse an Material. Damit sind diese Riesensterne äußerst wichtige Mitspieler bei der chemischen Anreicherung einer Galaxie und somit auch der des Universums.
Unter der riesigen konvektiven Sternhülle liegt die Wasserstoffbrennschale und wieder darunter die Heliumbrennschale. Der s-Prozess findet, wie Abbildung 5.3 zeigt, in einer regelmäßig pulsierenden Schale zwischen den beiden Brennschalen statt. Viele der nukleosynthetischen Details des s-Prozesses sind theoretisch schon gut verstanden, obwohl es immer noch Unklarheiten gibt, z.B. bei der detaillierten Modellierung der Neutronenquelle in der Zwischenschale. Trotzdem ist bekannt, dass dort, besonders am unteren Rand der Konvektionszone, aufgrund verschiedener Fusionsprozesse genügend Neutronen vorhanden sind, um über Jahrtausende hinweg den vorhandenen Saatkernen, z.B. Eisen, immer wieder neue Neutronen hinzuzufügen. Eine Neutronenquelle entsteht dort, wenn Kohlenstoff- ( 13 C) oder auch Neonisotope ( 22 Ne) α-Partikel, also Heliumkerne, einfangen. Und bei jedem Einfang wird ein Neutron freigesetzt. So kommt es zur relativ niedrigen, aber länger anhaltenden Neutronendichte von, je nach Sternmasse, mindestens ~10 8 Neutronen/cm 3 . Es sind diese Neutronen, die die Saatkerne mit der Zeit in schwere Elemente verwandeln.
Nach dem Einfangen eines neuen Neutrons zerfällt das neu entstandene, instabile, also radioaktive Atom wieder. Dies passiert noch, bevor es wieder mit einem weiteren Neutron beschossen wird. Das ständige Neutronen-Einfangen und wieder -Zerfallen führt langsam, aber sicher zum Aufbau eines schwereren stabilen Atomkerns. So wird im s-Prozess ungefähr die Hälfte aller Isotope synthetisiert, die schwerer als die des Eisens sind. Abbildung 5.4 zeigt diesen Aufbau schematisch. Viele dieser Isotope werden allerdings sowohl im s- wie auch im r-Prozess erzeugt. Und dennoch gibt es einige Isotope, die ausschließlich aus dem s-Prozess kommen, wie z.B. 86 Sr (Strontium), 96 Mo (Molybdän), 104 Pd (Palladium) und 116 Sn (Zinn).
Abb. 5.3: Der s-Prozess findet über der Heliumbrennschale in einer mit Helium angereicherten
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