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Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)

Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Frebel
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ziemlich große Anzahl, und zwei Sekunden sind eine erstaunlich kurze Zeit – ein ordentlicher Atemzug dauert länger.
    Der Aufbau der Kerne muss vor allem deswegen so schnell ablaufen, weil jeder Kern immer dann, wenn er ein Extra-Neutron bekommen hat, schnell wieder zerfallen möchte. Dieser Vorgang geschieht im s-Prozess. Wenn jetzt aber weitere Neutronen rasend schnell hinzugefügt werden bevor der Kern wieder zerfällt, kann man kurzfristig ein sehr neutronenreiches Isotop herstellen. Diese großen, instabilen Kerne sind allerdings radioaktiv, d.h. auch sie zerfallen sofort wieder, sobald der Neutronenfluss versiegt. Auf diesem Weg wird die andere Hälfte der Isotope aller schweren Elemente im Periodensystem synthetisiert.
    Man kann sich den r-Prozess etwa so vorstellen, als ob man eine herunterfahrende Rolltreppe hochlaufen wollte. Die Rolltreppe mit ihren einer nach der anderen verschwindenden Stufen gleicht den zerfallenden Kernen. Wenn man einen schweren Kern erstellen möchte, muss man also ziemlich schnell die Rolltreppe hinauflaufen, schneller, als sie herunterfährt, sonst kommt man nicht oben an. Ist man nicht schnell genug, trampelt man auf der »Stelle«. Dies würde dem s-Prozess entsprechen.
    Aus verschiedenen kernphysikalischen Gründen kann der r-Prozess aber keine beliebig schweren Elemente erzeugen. Wird ein Atomkern während des r-Prozesses zu schwer, zerfällt er instantan durch Kernspaltung in leichtere Atomkerne. Nachdem der r-Prozess zum Stillstand gekommen ist, besitzen die schwerstmöglichen Isotope knapp 100 Protonen und bis zu 160 Neutronen, sind radioaktiv und zerfallen über eine längere Zerfallskette (meist durch α-Zerfälle) über viele verschiedene Isotope schließlich zu Blei. Blei hat 82 Protonen und um die 100 Neutronen, je nach Isotop. So entstehen nicht nur die schwersten stabilen Elemente, sondern auch die schwersten langlebigen radioaktive Kerne, 232 Thorium, mit einer Halbwertszeit von 14 Milliarden Jahren, und 238 Uran, mit einer Halbwertszeit von 4,7 Milliarden Jahren. Diese langen Halbwertszeiten sind von kosmischer Dauer und zur Messung von kosmischen Zeitskalen verwendbar.
    Alles in allem führt der r-Prozess zu ganz bestimmten, charakteristischen Häufigkeitsverhältnissen der schweren Elemente untereinander. An dieser Signatur ist der r-Prozess eindeutig zu erkennen. Der s-Prozess hat ebenfalls ein charakteristisches Muster, welches sich aber von dem des r-Prozesses deutlich unterscheidet. Diese Muster werden im Folgenden genauer beschrieben.
    Die Häufigkeiten der chemischen Elemente in der Sonne sind das aufaddierte Produkt von acht Milliarden Jahren an chemischer Entwicklung, vom Urknall bis zur Entstehung der Sonne vor etwa 4,6 Milliarden Jahren. Dementsprechend sind die schwereren Elemente in der Sonne ein Gemisch aus Isotopen, die im s- und r-Prozess hergestellt werden. Da das s-Prozess-Muster theoretisch sehr gut bekannt ist, kann es vom solaren Muster abgezogen werden. Was danach übrig bleibt, ist die r-Prozess-Komponente. Das solare r-Prozess-Muster kann so mit theoretischen Vorhersagen zur r-Prozess-Nukleosynthese verglichen werden.
    Das solare s-Prozess-Muster war für lange Zeit die einzige Möglichkeit, empirische Daten zum r-Prozess aus dem Kosmos zu gewinnen. 1995 wurde dann aber der erste extrem metallarme »r-Prozess-Stern« gefunden. Im Spektrum von CS 22892–052 wurden Absorptionslinien von bis zu 70 Elementen des Periodensystems gemessen. Dies beinhaltet nicht nur die »üblichen« leichteren Elemente wie Kohlenstoff, Sauerstoff, Magnesium, Natrium, Titanium, Eisen und Nickel, sondern vor allem die Neutroneneinfang-Elemente wie Strontium, Barium, Europium, Gadolinium, Dysprosium, Präseodinium und Osmium. Einige dieser sehr seltenen Art von Sternen weisen sogar Thorium und Uran auf. Abbildung 5.5 vergleicht die Spektren von einem r-Prozess-Stern mit einem normalen metallarmen Stern. Nur für die Sonne können noch mehr Elemente als in r-Prozess-Sternen gemessen werden.

Abb. 5.5: Ausschnitt aus normalisierten hochaufgelösten Spektren zweier metallarmer Sterne, von denen der eine ein normaler metallarmer Stern ist (schwarze gestrichelte Linie) und der andere ein r-Prozess-Stern (graue Linie). Die unterschiedlichen Absorptionslinien gehen auf die Existenz der zusätzlichen Neutroneneinfangelemente im r-Prozess-Stern zurück. Die starke r-Prozess-Europiumlinie bei 412,97 nm kann besonders gut gesehen werden.
    Aufgrund seiner geringen

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