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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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empfinden, besonders interessant, Gefühlsausbrüche bei anderen zu beobachten; so wie es für einen Fernsehzuschauer interessant ist, Bilder von fremden Ländern zu sehen, in denen er selbst nie war.

Typisch psychopathisch Teil 2:
»Mir fehlen die richtigen Worte«
    Weil Psychopathen »empfindungsschwach« für Gefühle sind, benutzen sie auch die entsprechenden Begriffe manchmal falsch oder verstehen sie bei anderen nicht richtig. Wenn sie selbst etwas empfinden, ist das Gefühl meist nicht sehr stark und schnell verflogen. Fragt man sie dann, was sie gerade fühlen, fällt es ihnen auffallend schwer, die passenden Worte zu finden.
    Christian beschreibt unterschiedliche unschöne Gefühle auf Nachfrage meist zunächst mit dem Wort »unangenehm«. Weil er sich sonst sehr durchdacht und genau ausdrückt, war ich zunächst überrascht, wie schwer es ihm fällt, seine eigenen Gefühle zu beschreiben. Manchmal scheint er nicht zu verstehen, wo der Unterschied zwischen ähnlichen Gefühlen sein soll.
    So verwechselte er mehrmals die Worte »Traurigkeit« und »Trauer«, als ich ihn mit konkreten Nachfragen bat, eine für ihn sehr unangenehme Situation zu beschreiben. Diese Gefühle sind sich zwar ähnlich, doch während Menschen aus ganz verschiedenen Gründen traurig werden können, empfinden sie Trauer nur beim Verlust von etwas, das ihnen viel bedeutet. Mir fiel in einem anderen Gespräch auf, dass Christian die Worte »traurig« und »enttäuscht« verwendete, als bedeuteten sie genau dasselbe. Derartige unangenehme Gefühle benennt er nur ungern und fasst sie, wenn es um ihn selbst geht, oft mit »ich war melancholisch« zusammen.

Typisch psychopathisch Teil 3:
»Die Leute sehen nicht, was hinter meinen Masken steckt«
    Um wegen ihrer »flachen« Gefühle nicht zu sehr aufzufallen, gewöhnen sich psychopathische Menschen an, zur jeweiligen Situation den passenden Gesichtsausdruck zu machen. So schauen sie – wie mein Interviewpartner Alexander beschreibt – beispielsweise traurig bei einer Beerdigung, auch wenn sie nichts fühlen. Ein anderer meiner Interviewpartner kam auf die Idee, sich bei Begräbnissen notfalls die Salbe »Wick VapoRub« in Augennähe zu schmieren, um die Tränen zum Fließen zu bringen.
    Bei einem der Gespräche mit Christian – als wir uns schon länger kannten – hatte ich den Eindruck, er sei traurig, obwohl er wie sonst lachte und scheinbar guter Laune war. Eine für ihn untypische Emotion. Als ich ihn darauf ansprach, zeigte er sich sehr überrascht: »Woran erkennst du das?«
    Ich sagte, dass ich es am Ausdruck seiner Augen sehen könne. Das ist keine besondere Gabe, sondern eine Frage der Erfahrung. Seit vielen Jahren habe ich oft mit Menschen zu tun, die ungewöhnlich schwache Gefühle haben. Dadurch habe ich mir angewöhnt, sie besonders genau zu beobachten. Wenn ich öfter mit jemandem wie Christian spreche, entdecke ich daher manchmal Stimmungen, die andere nicht mitbekommen.
    Christian erzählte dann: »Vor einigen Jahren war ich einmal über mehrere Wochen für meine Verhältnisse wirklich traurig. Das haben meine Arbeitskollegen und selbst gute Freunde von mir nicht gemerkt. Heute bin ich im Vergleich dazu deutlich weniger traurig. Interessant, dass dir das trotzdem auffällt.«
    Da psychopathische Menschen sich angewöhnen müssen, die passenden emotionalen Gesichtsausdrücke zur jeweiligen Situation zu machen, entwickeln sie dafür unterschiedliche Vorgehensweisen. Alexander wirkt oft sehr sachlich. Er erklärt, dass er ein eher nachdenklicher und ernster Typ ist. Damit geben sich die meisten zufrieden.
    Menschen, die wenig empfinden, lernen früh, in den richtigen Situationen zu lächeln, um mit anderen Menschen unauffällig zusammenzuleben. Alexander berichtete mir, wie er sich in einer Szene der US-amerikanischen Fernsehserie »Dexter« wiedererkannte. Die Titelfigur der Serie ist ein psychopathischer Serienmörder. Er fühlt schon als Kind nichts, versteht die anderen Menschen nicht und hat Lust zu töten. Sein Adoptivvater Harry ist Polizist; er bemerkt früh, was mit Dexter los ist, und bringt ihm bei, wie er ein »guter Psychopath« werden kann. Dexter soll nur Menschen töten, die es aus Sicht des Adoptivvaters verdient haben – Mörder. Daran hält sich Dexter, der als Spurensachverständiger für die Polizei arbeitet.
    Die Szene, in der Alexander sich wiedererkannte, ist eine Rückblende in Dexters Kindheit: Sein Adoptivvater erklärt ihm, dass er auf

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