Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
Vom Netzwerk:
sie diese geschickt. Sehr lange kam sie mit dieser Vorgehensweise durch.
Verblichene Schwarz-Weiß-Fotografie einer bunten Welt – Wie und was der Psychopath fühlt
5. Schuldgefühl, was ist das?
– Der Gewissenlose
    Wenn der Psychopath andere Menschen mit seinem Verhalten verletzt, ihnen schadet oder das Gesetz bricht, sieht er seine Schuld nicht wirklich ein. Immer sind die Umstände, andere Menschen, der Zufall oder die Ungerechtigkeit der Welt schuld an dem, was in seinem Leben schiefläuft – er sieht sich nur als Opfer. Die Menschen, die er schädigt, haben es sich aus Sicht des Psychopathen selbst eingebrockt, oder er verharmlost das, was sie durch ihn erlitten. Wenn es ihm einen Vorteil bringt, entschuldigt er sich. Er meint das aber nicht ernst und ändert daher auch nichts an seinem Verhalten.
    Die Art, wie mein Interviewpartner Christian mit Unehrlichkeit und Untreue umgeht, ist typisch psychopathisch. Ich fragte ihn, ob er jemals Schuldgefühle empfindet, wenn er erlebt, dass eine Partnerin wegen seines Verhaltens verletzt ist. Seine Antwort: »Ich bin dann eher traurig darüber, dass sie nicht mit mir klarkommt, wie ich bin. Es macht mich nicht traurig, dass mein Verhalten sie traurig macht. Der Fehler liegt ja nicht bei mir, sondern bei ihr. Sie kommt schließlich damit, wie ich bin, nicht zurecht.«
6. Fühlen wird überbewertet
– Der Gefühlsblinde
    So wie manche Menschen farbenblind sind, sind Psychopathen annähernd »gefühlsblind«. Sie wissen, dass andere Menschen ganz selbstverständlich sehr verschiedene Gefühle erleben, in ganz verschiedener Intensität. Außerdem wissen sie, in welchen Situationen andere normalerweise welche Gefühle empfinden und welche Begriffe es dafür gibt. Es ist nicht so, als würden Psychopathen überhaupt nichts fühlen, aber ihre »Gefühlspalette« ist schmaler und viel schwächer ausgeprägt. Weil ihre Empfindungen immer sehr schwach bleiben, können sie Gefühle, die sich ähneln – wie beispielsweise Traurigkeit und Enttäuschung –, nicht gut unterscheiden.
    Wenn man sich das Gefühlsleben eines normalen Menschen als einen Malkasten mit vielen unterschiedlichen, leuchtenden Farben vorstellt, dann fehlt Psychopathen dafür die Vorstellungskraft. Deshalb fällt es ihnen sehr schwer, aus der feinen Mimik anderer auf die dahintersteckenden Gefühle zu schließen. Selbst Gesichtsausdrücke, die eigentlich eindeutig sind, können sie kaum den passenden Gefühlen zuordnen.
    Typisch psychopathisch Teil 1:
»Ich lese gerne andere Menschen«
    Meine mittelgradig psychopathischen Interviewpartner beschrieben dieses Phänomen weitgehend übereinstimmend. Interessanterweise entwickelten zwei von ihnen (Alexander und Christian) die gleiche Strategie, um dieses Problem zu verbergen:
    Beide sprechen mit Menschen, die ihnen kaum oder gar nicht bekannt sind, lieber erst persönlich als am Telefon. In persönlichen Gesprächen beobachten sie ihr Gegenüber genau. Dabei achten sie besonders auf Mimik und Gestik. Da sie dies jahrelang geübt haben, sind sie inzwischen ziemlich gut darin, zu deuten, was bei dem anderen vorgeht.
    Christian sagt dazu: »Ich lese die Menschen.« Damit beschreibt er seine Fähigkeit, schnell und genau einzuschätzen, welche Gefühlsregungen er mit seinem Verhalten beim Gegenüber auslöst. Für jemanden, der selbst kaum jemals deutliche Gefühle empfindet, gelingt es Christian erstaunlich gut, die seiner Mitmenschen zu erkennen und gezielt zu beeinflussen.
    Allerdings sagen Alexander und Christian auch, dass sie bis heute ganz besonders aufmerksam beobachten müssen, um kurz aufflackernde, feinere, schwächere Gefühle ihrer Mitmenschen wahrzunehmen. Auffälligerweise berichten beide, dass sie als Partnerinnen Frauen bevorzugen, die eher starke Gefühle zeigen. Daher ist es nicht überraschend, dass beide auch jahrelange Beziehungen mit Borderlinerinnen hatten und noch haben.
    Borderline ist eine Störung der Persönlichkeit, bei der die Betroffenen – neben vielen anderen Problemen – unter Stimmungsschwankungen und sehr heftigen Gefühlen leiden, die sie nur schwer steuern können. Borderliner sind, was ihre Gefühle angeht, also das genaue Gegenteil von Psychopathen. Alexander und Christian sagen, dass es für sie weniger anstrengend als für normale Menschen und oft sogar angenehm ist, starke Gefühlsausdrücke ihrer Partnerinnen mitzuerleben, gerade weil sie selbst nur wenig empfinden. Anscheinend ist es für sie, die selbst nur wenig

Weitere Kostenlose Bücher