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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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ist, und auch, dass er einen starken Drang zum Töten hat. Deshalb bringt er Dexter moralische Regeln bei und lehrt ihn, sich unter den »normalen« Menschen unauffällig zu verhalten. Dazu gehört, Gefühle vorzutäuschen, die Dexter gar nicht empfindet, und nach logischen Regeln einzuschätzen, was in anderen Menschen vorgeht. In einer Szene fragt Dexter als Kind seinen Adoptivvater: »Werde ich für immer so sein?« Harry antwortet: »Ja, und nichts kann daran etwas ändern, aber du kannst es umleiten, es kontrollieren. Wir können es für etwas Gutes nutzen.« Harrys Vorstellung von diesem »Guten« ist allerdings etwas fragwürdig.
    Er trichtert Dexter ein, nur jene zu töten, die es aus Harrys Sicht »verdient« haben. Dies sind, Harrys »Ehrenkodex« zufolge, Mörder, die von den Behörden nicht zur Verantwortung gezogen werden. Harry bringt Dexter also bei, seinen Tötungsdrang in eine Selbstjustiz umzulenken, die Harry als moralisch richtig empfindet – eine fragwürdige Haltung, die viele der Zuschauer der Serie jedoch offenbar teilen. So wird Dexter Spurenkundler bei der Polizei von Miami, Spezialist für die Auswertung von Blutspuren. In diesem Beruf kann er töten, ohne selber erwischt zu werden.
    Nachdem Alexander mir all dies erzählt hatte, fragte er mich, was ich über diese Grundidee denke. Und was sei mit Menschen in der Wirklichkeit, die zwar weder töten noch andere Straftaten begehen, die dennoch einiges mit Dexter gemeinsam haben: Menschen, die fast nichts fühlen und problemlos in der Lage wären, jemanden zu töten, wenn es ihnen sinnvoll und machbar erscheinen würde. Die sich gezielt steuern, ihren Mitmenschen die meiste Zeit etwas vorspielen, die im Gegensatz zu vielen kriminellen Psychopathen vorausschauend planen und sich in der Gesellschaft dauerhaft und perfekt tarnen.
    Ich antwortete, dass es einige Literatur über nicht-kriminelle Psychopathen gibt, die beruflich – besonders in Wirtschaft und Politik – sehr erfolgreich werden. Allerdings gibt es über sie bisher wesentlich weniger wissenschaftliche Erkenntnisse als über ihre kriminellen »Artgenossen«, da sie sich aus gutem Grund meist lieber nicht für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung stellen, da sie weder im Gefängnis noch in Therapien jemals auftauchen und daher meist durchs Raster fallen. Alexander lächelte und sagte, ich hätte jetzt die Gelegenheit, einen solchen Menschen kennenzulernen.
    Ich war nicht sonderlich überrascht, eher interessiert. Dass Alexander deutlich sachlicher, unemotionaler und logischer kommunizierte als die meisten anderen Menschen, hatte ich ja bereits gemerkt. Nun erklärte er, dass er dies im Gespräch mit mir noch mehr als sonst tue. Er habe testen wollen, wie ich darauf reagiere. Psychopathische Menschen testen gerne, wie andere damit umgehen, was sie sagen oder tun. Daher überraschte mich auch das nicht. Alexander sagte, es habe auf ihn positiv gewirkt, dass ich in der Lage sei, auf sehr sachliche Art zu kommunizieren. Deshalb habe er beschlossen, sich mir komplett zu offenbaren.
    Ein Effekt, den ich häufig und besonders bei »ungewöhnlichen« Menschen erlebe: Sie bemerken, dass ich mit ihnen auf ihrer Ebene reden kann, dass ich, egal was sie sagen, weder schockiert noch verängstigt bin. So bin ich schon häufiger in den Genuss gekommen, Wahrheiten über Menschen zu erfahren, die sie sonst kaum jemandem anvertrauen.
Vor und hinter der psychopathischen Maske
    Es gibt keine Geheimnisse im Leben.
    Nur versteckte Wahrheiten,
    die unter der Oberfläche liegen.

    (Zitat aus der Fernsehserie »Dexter«)
    Da Alexander mir ausführlich von Dexter erzählt hatte und auch direkt sagte, dass er diese Serie sehr gut finde, fragte ich ihn, ob er Ähnlichkeiten zwischen sich und der Fernsehfigur erkenne. Er bejahte dies: »Dexter hat ähnlich wie ich ein strukturiertes Regelsystem. Ähnlich wie ich hat er gewisse Prinzipien, gegen die er nicht verstößt. Ich denke, er hat ähnlich wie ich diese Gefühlsverminderung. Auch seine innere Stimme in der Serie finde ich klasse, weil sie in vielen Situationen genau das sagt, was ich denke.« Nun interessierte mich, ob Alexander auch Unterschiede zwischen sich und Dexter sehe. Dazu sagte er: »Dexter hat den Drang zu töten, und den habe ich einfach nicht. Ich habe keine sadistischen Tötungsphantasien oder Ähnliches. Daher habe ich keinen Grund, jemanden zu töten, auch wenn ich es könnte, ohne Gewissensbisse zu bekommen.« Ich fasste

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