Auf Dünnem Eis (T-FLAC) (German Edition)
würde keine schlafenden Hunde wecken.
Lily war die Art von Frau, die er brauchte. Bedingungslos loyal, stark, unabhängig. Sein Leben war beileibe nicht normal. Er brauchte eine Partnerin, die mit seinem Beruf umgehen konnte. Die mit dem Getrenntsein klarkam und damit, nicht auf dem Laufenden gehalten zu werden. Lily hatte schlicht alles, was er sich je von einer Frau erhofft hatte.
Doch wenn sie eines verabscheute, dann belogen zu werden. Er würde ihr alles über seine Position bei T-FLAC erzählen müssen. Er hatte es schon viel zu lange aufgescho … »Jesus!«
Er und sein Gespann waren die ganze Zeit talwärts unterwegs gewesen, waren im Zickzack durch den Wald gefahren, während er sich mit Lily unterhalten hatte. Plötzlich ging es einen steilen Abhang hinunter, und direkt vor ihm stand ein überflüssiges Warnschild. GEFäHRLICHE STRECKE.
Ach, nein! Er hätte blind sein müssen, nicht mitzubekommen, dass der Weg hinter der Kante eines Abhangs verschwand.
Nicht einmal Lilys warmes Lachen konnte die böse Vorahnung vertreiben. Derek stieg mit voller Kraft auf die Bremse und klammerte sich an seinem Schlitten fest.
»Du hast den Anfang der Happy-River-Terrassen erreicht, stimmt’s?«
Ihre Stimme klang belustigt.
Er grunzte, sprach schnell ein leises Gebet, dann fuhr er sacht und vorsichtig über die Kante und diagonal über die Vorderseite einer extrem - allmächtiger Gott! - extrem steilen Stufe. Es bedurfte Nerven aus Stahl, nicht nach unten zu sehen.
»Bleib in der Spur.« Lilys Stimme war ruhig.
Sein Herz pochte so heftig wie damals in Bangkok, als er in einer Seitenstraße auf elf voll bewaffnete Gangster getroffen war. »Die ist nicht der Rede wert«, sagte er rundheraus und zog an der Leine. Es waren nicht genug Gespanne vor ihm, die eine Fahrspur hätten hinterlassen können.
»Lass die Bremse unten«, sagte Lily, »und vertrau den Hunden. Die haben das schon mal gemacht.«
Verdammt, er hatte es auch schon mal gemacht. Letztes Jahr. Aber es jagte ihm immer noch eine Höllenangst ein. Lieber täglich ein durchgeknallter, bis an die Zähne bewaffneter Terrorist, da konnte er wenigstens zurückballern. Hier konnte er nur beten und hoffen, dass seine Hunde zuverlässig waren und flink auf den Füßen.
Zwanzig Meter weiter kippte der Pfad fast weg. Er und sein Schlitten lagen fast schon auf der Seite. Die Muskeln in Dereks Rücken und Armen spannten und pochten, während er den Abwärtsschwung von Hunden und Schlitten zu kontrollieren versuchte. Seine Herz raste, sein Blick verschwamm und schärfte sich wieder.
Am Fuß der Stufe war ein flacher Abschnitt, das wusste er. Es erschien ihm unendlich weit bis dahin zu sein. Doch er behielt es im Kopf, während sie im Schneckentempo vorankrochen.
»Bist du schon unten?«, fragte Lily zehn Minuten später.
»Hast du etwa mein erleichtertes Seufzen gehört?«, fragte Derek amüsiert, während er das Gespann zum Halten brachte, damit sie sich vor der nächsten Serpentine noch einmal beruhigen konnten. Bis zum sicheren Grund hatten sie noch eine lange Strecke vor sich. Aber ein »Danke, lieber Gott« zu sagen und sich den Schweiß von der Stirn zu wischen war schon in Ordnung.
»Also, dann lass uns zu beten anfangen.« Sie fing selber zu keuchen an, als sie ein paar Minuten nach ihm den Abstieg in Angriff nahm. »Und nicht nach unten sehen!«, mahnte sie ihn überflüssigerweise. Direkt neben ihm ging es fünfzehn Meter nach unten. Kerzengerade.
»Hör auf, dir meinetwegen Sorgen zu machen, und konzentriere dich, verdammt«, sagte Derek barscher als beabsichtigt. Ihm blieb vor Angst die Spucke weg. Lily war fast dreißig Kilo leichter als er, und so viel Kraft sie auch hatte, so viel Erfahrung sie über die Jahre erworben hatte, dieser Abschnitt der Strecke war ein Horrortrip.
Er realisierte, dass er den Atem anhielt und jedes Stück des Abstiegs durchspielte; jedes vorstehende Gebüsch, jede Kurve, jeden … »Pass auf den abgebrochenen Ast auf, wenn du über die oberste Kante fährst«, erinnerte er sich. »Siehst du ihn?«
»Ja. Danke.«
»Bleib in der Spur.«
»Glaub mir, das tue ich.«
Er stellte sich ihre behandschuhten Hände vor, die fest den Haltebügel umklammerten. Den grimmig konzentrierten Ausdruck in ihrem Gesicht. Er konnte das Weiß in ihren Augen sehen und die Röte auf ihren Wangen.
»Ich. Komme. Ganz. Langsam. Runter », versicherte Lily, einen belustigten Unterton in der Stimme.
Derek schaute nach oben und wartete darauf,
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