Auf Dünnem Eis (T-FLAC) (German Edition)
Sonnenaufgang, hatte ein breites Kreuz und den festen Willen, eines Tages zum Leithund aufzusteigen, das wusste Lily. Genau wie sie wusste, dass ihre Leithündin Arrow ein Faible für Dereks Leithund Max hatte. Die beiden beschnüffelten einander ständig und hatten sich letzte Nacht sogar nebeneinander zusammengerollt. Vielleicht waren sie verliebt. Sie lachte. Es ging wohl eher um Lust. Das hatten Max und Derek gemeinsam.
»Was?« Dereks Stimme klang rauchig intim und als käme sie direkt aus ihrem Kopf.
Sie hatte vergessen, dass er sie hören konnte. »Dad beschwert sich häufig, dass ich die Hunde anthromorphogolisiere - falls es dieses Wort überhaupt gibt.«
»Da du praktisch mit ihnen zusammenlebst, finde ich es nicht sonderbar, dass du ihnen menschliche Eigenschaften zuschreibst«, stimmte Derek bei. »Schließlich kennst du sie vermutlich besser als die meisten Menschen.«
»Und ich mag sie zumeist auch mehr«, teilte Lily ihm trocken mit.« Sie zog die Augen zusammen. Hinkte Opal jetzt etwa auch? Sie würde die Hündin die nächsten ein, zwei Meilen im Auge behalten.
»Bist du deshalb Tierärztin geworden?«
Lily lächelte. »Deswegen und wegen der Unsummen, die ich damit verdiene.« Verglichen mit Seans war ihr Einkommen immer ein Witz gewesen. Er hatte sie ständig damit aufgezogen, dass sie als Bedienung im Dipsy Diner an der Main Street mehr verdient hätte. Für drei Vollzeitveterinäre war das County halt nicht groß genug.
Dennoch liebte sie, was sie tat. Matt und ihr Vater versorgten praktisch alle Tiere, die nicht auf der Flying F lebten. Die Ranch, die Hundezucht und das Training hielten Lily auf Trab. Dass sie Sean geheiratet hatte, hatte ihnen allen in den Kram gepasst. Sie hatte das Zuchtprogramm beaufsichtigt und die Herden vergrößert. Und als Sean und Derek einen Dreieinhalb-Millionen-Dollar-Stier nach Hause gebracht hatten, hatte sie ihn Diablo getauft. Sie hatte jede Phiole seines Spermas beglaubigt - und Sean hatte bei den gefälschten Röhrchen ganz offenkundig ihre Unterschrift nachgemacht.
Natürlich hatte sie nichts davon gewusst. Sie hatte nur gewusst, dass sie ihren Märchenprinzen gefunden hatte, der sie liebte und den sie heiraten wollte. Sie hatte die Art geliebt, wie er sie neckte; die Art, wie seine braunen Augen sich erwärmten, wenn er bei ihr war. Sie hatte die Art geliebt, wie er flirtete und dass sie sich bei ihm wie eine begehrenswerte Frau fühlte, auch wenn sie Jeans und Arbeitstiefel trug.
Sie war blind und naiv gewesen. Dumm und vertrauensselig.
Jetzt nicht mehr.
»Warum schnappst du dir dann nicht die Kriegsbeute und verschwindest nach Fidschi.«
»Ich hab es nicht mit dem Verreisen«, sagte sie und ergötzte sich an dem Licht, das den Schnee wie Schlagsahne aussehen ließ.
»Eure Flitterwochen habt ihr in Montreal verbracht.«
»Wir sind kaum aus dem Zimmer gekommen«, schwindelte sie, während ihr Wut und Erniederung die Brust abdrückten. Sean hatte an der Bar mit einer eleganten Rothaarigen geflirtet. Am zweiten Abend war er erst nach Mitternacht ins Hotelzimmer zurückgekehrt. Er hatte nach teurem Parfüm gerochen und sie daran erinnert, dass Männer nicht für die Monogamie geboren waren.
Lily hatte das Tablett vom Zimmerservice, das seit Stunden unberührt dagestanden hatte, über seinen teuren Anzug gekippt. Danach hatte sie Sean mitgeteilt, der Anstand gebiete es, wenigstens auf den Ablauf der Flitterwochen zu warten, bis man eine französische Nutte vögelte, die man an der Bar aufgerissen hatte.
Sie war völlig verzweifelt in ein anderes Zimmer umgezogen. Sie verabscheute Lügner.
Sean hatte schnell gelernt, dass sein liebendes Mädchen vom Land seine Eskapaden satt hatte und keinen weiteren Bullshit dulden würde.
Lily war wütend auf sich selbst gewesen, weil sie gegen alle Warnungen von außen taub und für seine Fehler blind gewesen war. Und Sean hatte jede Menge davon.
Der Mann, von dem sie geglaubt hatte, er liebe sie, war plötzlich völlig verändert. Sie war verletzt und verstört gewesen, hatte nicht mehr ein und aus gewusst. Sie waren in den Flitterwochen! Am Beginn ihres gemeinsamen Lebens! Und jetzt war dieses Leben vor ihren Augen in Rauch und Asche aufgegangen.
Verletzt. Zornig. Verwirrt. Sie war all das gewesen. Schlimmer noch, sie war sich dumm vorgekommen. Und, verdammt sollte er sein: benutzt.
Sie hatte ihre Flitterwochen damit verbracht, die Stadt der Verliebten zu erkunden. Allein.
Das war der Anfang vom Ende
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