Auf Dünnem Eis (T-FLAC) (German Edition)
sie noch länger hier stehen blieb, würde sie unter der Dusche einschlafen. Ihr müder Kopf spann die Szene weiter. Derek würde hereinkommen und ihren komatösen nackten Körper aus der Dusche zerren müssen. Lily war nicht sicher, ob sie ihm hätte widerstehen können. Nicht einmal, wenn sie im Koma lag. Großes Zutrauen hatte sie nicht zu sich. Ihr Körper und ihr Verstand arbeiteten nicht synchron, wenn es um Derek Wright ging.
Er hatte ihr in zwei Tagen zweimal das Leben gerettet. Dennoch war sie immer noch nicht sicher, ob sie ihm vertrauen konnte. Und wenn sie es noch so lange verleugnete, Derek machte sie unglücklicherweise an. Das hatte er seit Jahren. Sie berührte ihre feuchten Lippen, erinnerte sich an seine Küsse und spürte ein Prickeln im ganzen Körper.
Sie stellte das heiße Wasser absichtlich kalt und japste, als der erste Schwall Brüste und Bauch traf. »Das hast du nun davon, du Dummerchen«, flüsterte sie und stellte das Wasser schnell wieder warm. Sie war mit ihm seit Tagen im Schnee , und nicht einmal die Kälte hatte sie davon abhalten können, sich von ihm angezogen zu fühlen. Ein kurzer Schwall kaltes Wasser richtete da nichts aus. Sie war gegen Dereks Charme nicht immun. Und sie war auch nicht so gut geimpft, dass sie gegen eine Wiederansteckung gefeit war.
»Aber«, stritt sie mit sich selbst, »warum rege ich mich eigentlich auf? Dann will ich ihn eben. Na, und? Sex brauchte keine lebenslange Verpflichtung. Es ist einfach nur Sex. Chemie.« Lily stieg aus der Wanne und griff sich ein Handtuch. War sie ein solcher Feigling? Derek konnte ihr keinen emotionalen Schaden zufügen, solange sie es nicht zuließ. Sie stellte den Fuß auf den Rand der Badewanne und trocknete ihr Bein ab.
Sie war eine erwachsene Frau.
Kein junges Mädchen.
Sie hatte Spaß am Sex.
Es war nicht illegal, einen Mann zu wollen, auch wenn Liebe dabei keine Rolle spielte. Oder?
Sie hatte die Liebe ausprobiert. Es hatte nicht funktioniert. Na und? Sie wollte Derek schließlich nicht heiraten . Sie wollte nur mit ihm schlafen. Sex ohne Liebe konnte genauso gut sein wie Sex mit Liebe, vermutete sie jedenfalls.
Lily gähnte, während sie sich anzog. Das nächste große Gähnen, das ihr die Tränen in die Augen trieb. Sie war hin- und hergerissen, kämpfte mit ihrem Selbsterhaltungstrieb, wenn es um Derek ging. Sie wollte ihn, aber sie wollte ihn nicht wollen.
Tatsache war, dass ihre Chemie und seine Chemie sich stark anzogen. Pheromone bei der Schwerstarbeit.
Du vertraust ihm nicht, erinnerte sie ihr Verstand.
Aber, warum? Sean war ein Lügner gewesen. Das wusste sie inzwischen mit Sicherheit. Warum war sie so wild entschlossen, sich an die offenkundigen Lügen zu klammern, die er ihr über Derek erzählt hatte?
Weil diese Lügen das Einzige waren, das sie noch daran hinderte, sich in Dereks Arme zu stürzen und eine komplette Närrin aus sich zu machen. Deshalb.
Alles, was sie an ihm anzog, zog Legionen anderer Frauen gleichfalls an. Wenn man einem Mann ein Festbankett servierte, warum hätte er sich dann dazu entschließen sollen, für den Rest seines Lebens ein und dasselbe Erdnussbutter-Sandwich zu essen?
Das war die Realität.
Sie hatte einem kultivierten Mann wie Derek Wright nichts zu bieten. Der Reiz des Neuen würde sich bald legen, und er würde zu grüneren Weiden weiterziehen.
»Aber andererseits«, murmelte sie, » will ich doch gar keine feste Beziehung, oder? Und wenn ich die Situation unter Kontrolle habe, gewinnen wir beide. Er will Sex. Ich will Sex.« Oh, Mann, sie wollte Sex. Mit ihm. Und nur mit ihm.
Zurzeit war sie für ihn eine Herausforderung. Die Frau, die ihm davongelaufen war. Lily nahm an, dass kaum eine Frau »nein« zu ihm sagte. Sie war zu seinem Moby Dick geworden.
Mist. Ihr platzte noch der Kopf.
Zu viel Gegrübel, zu wenig Schlaf.
Das war alles. Die Erschöpfung hatte die Vernunft überrollt.
Sie öffnete die Badezimmertür und erwartete, ihre Nemesis zu sehen, aber das Zimmer war leer. Ihr Magen knurrte laut und erbärmlich und erinnerte sie daran, dass sie nach mehr als Dereks Berührung hungerte. Sie ging zum Fenster, schob den Vorhang zur Seite und betrachte von oben ihr Gespann. Die Hunde hatten sich ausgestreckt und schliefen in der Abendsonne.
Helfer und Beobachter wimmelten herum. Ein paar Gespanne wurden durchgecheckt, die Hunde untersucht, und alle tranken sie dampfenden Kaffee und schienen die Kälte offenbar nicht zu bemerken. Natürlich hatten sie
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