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Auf in den Urwald (German Edition)

Auf in den Urwald (German Edition)

Titel: Auf in den Urwald (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Waluszek
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dem Kassenhäuschen zu Berthold. »Los, hol Edek, aber schnell!«
    Die Halbwüchsigen schwenkten ihre halb leeren Bierflaschen und beschwerten sich, sie wollten fahren, und zwar sofort.
    »Passt mal auf!«, sagte Mirja ganz ruhig. »Mit Alkohol kommt ihr hier nicht rein. Stellt die Bierflaschen weg, dann geht das in Ordnung! Oder ich hole die Polizei! Ihr seid doch noch keine achtzehn, oder?«
    Das wirkte. Grölend und dumme Kommentare abgebend, stiegen sie aus dem Wagen und verschwanden in der Menschenmenge, die an der Geisterbahn vorbeizog.
    Mirja atmete auf. Früher hatte es solche Situationen nicht so oft gegeben. Oder sie hatte sie nicht mitbekommen. Aber darüber nachzudenken, hatte sie jetzt keine Zeit. Berthold hatte sich nämlich immer noch nicht von der Stelle gerührt.
    »Mann! Ich hab gesagt, du sollst Edek holen! Beeil dich endlich!«
    Aber Berthold musste sich gar nicht mehr beeilen. Edek war schon da. Wie immer, wenn man ihn brauchte. »Schaltkasten?«, fragte er.
    Mirja nickte.
    »Wildes Pferd in der Geisterbahn, Gringo!«, mischte Berthold sich ein und grinste schadenfroh. Mit »Gringo« und »wildes Pferd« zog er Edek immer wieder auf, seitdem dieser erzählt hatte, wie er auf der Ranch seines reichen Onkels in Texas wilde Pferde zugeritten hatte.
    Edek war nicht auf den Mund gefallen. Mit Blick auf Bertholds Zahnlücke meinte er: »Wenn du auf Ranch von meine Onkel lachst, kommt Kuh vorbei und denkt, ist Tor offen von Stall!« Dabei rollte er mit seinem unverkennbaren Akzent das R vorne auf der Zunge, sprach die Os ganz hart und so manche Endung falsch und brachte auch sonst einiges durcheinander.
    Das saß erst mal. Berthold war so verdutzt, dass er erst noch nach einer passenden Antwort suchen musste. Aber Edek war schon weg. Er hatte im Kassenhäuschen den Sicherungsautomaten in Augenschein genommen und sofort erkannt, was Sache war.
    »Wagen aus Führung rausgesprungen«, sagte er zu Mirja. Aus der Innentasche seiner Lederjacke – Edek trug immer schwarze Ledersachen, ein rotes Tuch um den Hals und Cowboy-Stiefel mit hohen Absätzen, damit er größer wirkte – holte er einen Schraubenschlüssel heraus und verschwand in der Geisterbahn. Wenig später war er schon wieder im Kassenhäuschen zurück und warf den Schalter auf »Eins«. Die Elektromotoren zogen an und die Wagen rollten los.
    »Scheiß Führung ist schon wieder kaputt«, regte Edek sich auf. »Immer springt Wagen oben, bei ›Affen-Frau‹, raus. Deine Vater muss neue kaufen. Führung klemmt, Motoren werden heiß, Sicherung springt raus, jeden Tag dreimal!«
    »Ich weiß«, sagte Mirja. »Am Anfang klemmt immer irgendetwas. Aber ich werde morgen mit Vater sprechen. Was meinst du, was das kostet?«
    »Dreihundert? Vierhundert? Weiß nicht.«
    »Und die alte lässt sich nicht wieder reparieren?«
    »Vielleicht. Muss aber ausgebaut werden, muss in die Werkstatt, müssen neue Bolzen gedreht werden. Alles muss neu sein, die ganze Geisterbahn ist nur großes Haufen Schrott!«, übertrieb Edek wie so oft.
    »Wir machen doch übermorgen hier Schluss«, meinte Mirja, »und dann haben wir drei Tage Pause. Erst Mittwoch geht es in Augsburg weiter. Meinst du nicht, dass du es in dieser Zeit schaffst?«
    Edek fuhr sich mit der Hand über das schmale, schwarze Lippenbärtchen, das er jeden Morgen sorgfältig nachrasierte, und tat so, als müsse er es sich erst noch überlegen.
    »Normalerweise schafft Edek alles. Edek hier, Edek da ...«, meinte er schließlich.
    »Na also!« Mirja legte ihre Hand auf Edeks Schulter und lächelte.
    Edeks Ohren fingen an zu brennen. Immer, wenn ihm Mirja zu nahe kam, geschah das. Natürlich hatte er sich so weit unter Kontrolle, dass es nicht auffiel. Und Gott sei Dank musste es an der Kasse weitergehen, die Leute warteten. Während Mirja dafür sorgte, dass sich die Schlange auflöste, prüfte Edek noch einmal den Sicherungskasten. »Ich mach jetzt Kontrollfahrt«, sagte er.
    »Ja, bis später dann!«
    I love your life, I love my life, I love your life, I love my life  ... tönte es von nebenan.
    Mit Edek würde Mirja gern in eine Disco gehen. Aber Edek wollte nicht. »Ist für kleine Kinder«, hatte er letztens gesagt, als sie ihn gefragt hatte. Ausgerechnet er musste so etwas sagen. Erstens wurde Mirja im September siebzehn und zweitens benahm Edek sich manchmal so albern, als sei er nicht 21 sondern 12 Jahre alt! Sicher traute er sich nicht. Auf dem oberschlesischen Dorf in Polen, wo er aufgewachsen war,

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