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Auf in den Urwald (German Edition)

Auf in den Urwald (German Edition)

Titel: Auf in den Urwald (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Waluszek
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der Geldbörse und zahlte mit Münzen. »Ist dieses Jahr auf der Kirmes aber ganz schön teuer geworden!«
    Mirja lächelte und zuckte bedauernd mit den Schultern. Das hatte sie schon öfter gehört. Was sollte sie dazu sagen? Es war eben alles zu Beginn der Saison teurer geworden. Kein großes Fahrgeschäft verkaufte unter 3,50 Euro. Die Leute hatten keine Vorstellung, was so eine Anlage an Kosten verursachte. Die Standgelder waren erhöht worden, die Stromkosten auch. Die Mitfahrenden, die die Anlage auf- und abbauten und in Betrieb hielten, verlangten auch mehr Geld.
    Nebenan, im Autoskootergeschäft, hämmerte durch die riesigen Lautsprecher ein neuer Musiktitel los. Hard day, hard life, but we wonna fly. Hard day, hard life, but we wonna fly  ... Mirjas Beine wippten zum Takt. So etwas ging ihr unter die Haut. Sie hätte auf der Stelle lostanzen können. Hard day, hard life, but we wonna fly  ... Zum Glück hatte die Saison vor einer Woche angefangen. Noch nie in ihrem Leben hatte Mirja die Kirmes so herbeigesehnt wie in diesem Winter. Die endlosen, stillen Abende, der schweigende Vater, der immer mehr trank, und dann das Schlimmste: die ersten Weihnachten ohne Mutter ... Hätte sich Mirja im Januar nicht selbst um die Anmeldungen zu den Kirmesveranstaltungen gekümmert, wären sie womöglich gar nicht auf Reisen gegangen. Hard day, hard life, but we wonna fly  ...
    Berthold, der dürre Typ mit den kunstvoll zerrissenen Jeans, dem langen, blond gesträhnten Haar und dem ausgeschlagenen Vorderzahn, der vorne die Chips kassierte und die Wagen fahren ließ, kam zum Kassenhäuschen. Er steckte seine Hand durch die kleine runde Öffnung in der Scheibe und ließ die eingesammelten Chips einfach in die Kasse fallen.
    »Mann! Was soll der Quatsch?!«
    »Entschuldigung, Chefin!« Berthold grinste unschuldig. »Steife Hände. Kalt hier draußen!«
    Er hauchte in die Hände, steckte sie in die Taschen seiner Jeansjacke, zog die Schultern hoch und ging betont langsam wieder zurück. Mirja schaute ihm wütend hinterher. Den ganzen Nachmittag war auf der Geisterbahn nicht sehr viel los gewesen, aber nun kamen immer mehr Leute. Vorne, an dem von bluttriefenden Zähnen umrahmten Tor, stauten sich schon vier Wagen. Die Fahrgäste wurden ungeduldig und schauten sich um, wo die Bedienung blieb.
    Mit Berthold gab es Probleme. Mirja ließ ihn nicht mehr oben, am »Toten Mann« mit der »Eiskalten Hand«, arbeiten. Nur noch Max. Dafür hatte sie gute Gründe – über Berthold hatten sich schon Fahrgäste beschwert. Anstatt in den Nacken, wie es sein sollte, hatte er mit der »Eiskalten Hand« einigen Mädchen vorne in den Ausschnitt gefasst. Das war eine Schweinerei, und wenn sich so etwas auf der Kirmes herumsprach, konnte es Schwierigkeiten mit dem Ordnungsamt geben. Mirja hatte Berthold zur Rede gestellt und ihm gesagt, dass er fliegen werde, wenn sich das noch mal wiederholte. Anstatt zu antworten, hatte Berthold nur blöde gegrinst, auf ihr T-Shirt gestarrt und gefragt: »Gehen wir heute Nacht in die Disco, Kleine?« – »Pass mal auf«, hatte ihm Mirja darauf geantwortet, »ich bin nicht deine Kleine, ich bin deine Chefin, merk’s dir!« Der Typ sollte bloß aufpassen! Mirja arbeitete nicht erst seit gestern in dem Geschäft. Und nur weil ihr Vater nicht mehr nach dem Rechten schaute, sollte das nicht heißen, dass es hier keinen Chef mehr gab. Ganz im Gegenteil!
    Hard day, hard life, but we wonna fly. Hard day, hard life, but we wonna fly ...
    Berthold bediente die Fahrgäste mit einer Miene, als seien sie ihm alle lästig. Und jetzt fing er auch noch mit vier angetrunkenen Halbwüchsigen, die alle in einen Wagen steigen wollten, Streit an. Er packte einen von ihnen an der Jacke und zerrte ihn heraus. Verdammt, das hatte gerade noch gefehlt! Eine Prügelei vor der Geisterbahn.
    Mirja klappte wütend die Kasse zu. Das würde sie nicht zulassen. Doch plötzlich summte es neben ihr im elektrischen Schaltkasten, etwas knackte und die Wagen stockten. Schon wieder ein Ausfall! Gerade jetzt!
    Mirja warf den Schalthebel der Starkstromanlage auf »Null« und griff zum Mikrofon.
    »Meine Damen und Herren!« Sie versuchte, ihrer Stimme einen besonders angenehmen, melodiösen Klang zu geben. »Die Geisterbahn macht eine kleine Pause! Bleiben Sie in Ihren Wagen! Es geht sofort weiter und Sie dürfen auf unsere Kosten noch einmal fahren! Eine Fahrt durch die Welt der Geister, für Sie heute einmal kostenlos!«
    Mirja stürzte aus

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