Auf Inseln (German Edition)
sich Sandra und Robert regelmäßig in die Haare kriegen, ohne das Robert, bis auf ihre Augenbrauen, welche zu sehen, bekäme. Er lästert über ihr Tuch und ihre Bibelnaivität und sie über seinen Lebenswandel. Sie hat es im Grunde aber aufgegeben, Vanessa oder sogar Paul gegen ihn aufzuhetzen, sie von ihm zu trennen. Vanessa vertraute Robert an, dass Sandra nichts von ihren Vorlieben weiß. Zu früheren Zeiten hatte selbst Robert ein Interesse an Sandra. Ganz sicher würde er sie nicht von der Bettkante stoßen, aber er hat jeden Versuch aufgegeben, dort mit ihr hinzugelangen. Sie verweigert sich ja auch dem Alkohol, über den sie regelmäßig lästert, aber selbst Paul kann sie nicht beeinflussen. Paul versucht über den Umweg Robert Informationen über Sandra zu bekommen, aber Vanessa weiß nicht, was Sandra im Innersten antreibt, ist sich nicht sicher über ihre sexuelle Orientierung. Sie direkt danach zu fragen beinhaltet das Risiko, dass Sandra mit ihr bräche. Sie spricht nicht offen über Männer, möglicherweise aber indirekt oder verschlüsselt, so wie es fast alle Frauen von New Avignon tun. Kein Wunder, dass Vanessa alles drangesetzt hatte, New Avignon so, wie es war, zu verlassen, da sie auf der Finder ein Klientel erwartete, das auch Gründe haben musste, diesen Exodus anzutreten. Die zu Anfang liberaleren Verhältnisse hatten sich zumindest subjektiv in ihr Gegenteil verkehrt, obgleich Hugo Scheffener und die Elite des Raumschiffs keine weiteren Verhaltensvorschriften machten. Julia und Rita Zoller sind nun ganz offiziell ein Paar. Vanessa mochte ihre Nähe aufgesucht haben, traut sich aber letztendlich nicht eine mögliche Vorliebe für die eine oder andere zu zeigen. Es gibt natürlich ein Rumoren an Bord, dass die beiden in den Mord verwickelt waren, es zeigt sich ein Motiv, aber Hugo Scheffener hält dies für ausgeschlossen, da Scheffener Detailkenntnisse über die Zollers hatte. Ein Eifersuchtsdrama, aus dieser Richtung kommend, ist für ihn ausgeschlossen. Der Bibelkreis hat zurzeit neun Mitglieder, wovon vier unverheiratete Männer sind. Paul will nicht gegen seine Überzeugungen handeln, weiß aber, dass Sandra leicht ihr Herz bei einem Bibeltreuen verlieren kann, womöglich schwingt sich dort einer als Priester auf, mit einem von Gott gesegneten Anspruch auf eine Frau. Vanessa ist natürlich bibelresistent, aber Franziska hat Sandra an ihrer Seite, zudem sind die Frauen von Henry Newton, Dorothy und Penelope Mitglieder des Kreises. Diese Frauen tragen wieder das Tuch, keine von Hugo Scheffeners Frauen. Die Elite des Schiffes zeigt sich noch mehr oder weniger religionsresistent.
Wie soll man sich auf etwas vorbereiten, was man gar nicht kennt? 50000 Jahre Evolution sind eigentlich nicht viel, aber mit Gendesign und künstlicher Intelligenz kommt es zur Hyperevolution. Robert weiß, dass mit Aufkommen der industriellen Revolution die Evolution der Biosphäre stark beeinflusst wurde, insofern, da jede Menge Arten ausstarben. Der Mensch beanspruchte den ganzen Planeten. Es gibt zwei radikale Vorstellungen in Roberts Hirn. Die eine ist die, dass Maschinen, womöglich bewusste Maschinen die Erde übernommen haben. Maschinen, die sich selbst reproduzieren und einer eigenen Evolution unterliegen. Sie brauchen keine Menschen und die Umweltbedingungen, die sie benötigen, sind völlig andere als die, die für eine Fauna wichtig wären. Dass er es für möglich hält, dass die Menschheit sich zu einer Gehirnmasse entwickelt hat, superbewusst, hat er in einigen feuchten Runden schon zum Besten gegeben. Vielleicht erwartet sie Fremderes als die Bewohner von Aurelia, die Welt, die um Helena kreist. Vielleicht sind die lebensfeindlichen Planeten mit intelligenten Maschinen bevölkert. Robert versteht nicht so viel von der Evolutionstheorie, um sagen zu können, ob Einheiten, die sich replizieren können, auch tatsächlich replizieren. Ist der Wille zur Replikation notwendige Voraussetzung für Ingangsetzung einer unabhängigen Maschinenevolution? Das unbewusste Leben braucht keinen Sinn um sich weiter zu entwickeln, bewusstes Leben möglicherweise schon. Er ist beides, ein bewusstes und unbewusstes Wesen; sein kleines Bewusstsein schwimmt in einem Meer des Unbewussten und bildet mit ihm, was er ist, einen Menschen. Die erste Frage für ihn ist: Wie wollte sich die Menschheit entwickeln? Eine weitere: Wohin konnte sich die Menschheit entwickeln? Womöglich gibt es keine intelligenten Maschinen
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