Auf Inseln (German Edition)
zu lamentieren, dass er sich an nichts erinnern könne, schien bei mir das Gegenteil der Fall zu sein; ich hatte alle Details noch vor Augen. Bei den Dienerinnen und dem Bischof musste es sich um Halluzinationen gehandelt haben, etwas anderes anzunehmen wäre zu abwegig. Es gab Bilder von toten Aborigines, die wir ermordet hatten. Die, die ich nun gesehen hatte, sahen so aus wie auf den Bildern, aber hatte ich sie wirklich gesehen? Im Übrigen war das Bildmaterial dünn; es gelang nie, eine Leiche der Aborigines in die Hand zu bekommen. Womöglich hatte ich mir die Vergewaltigung auch nur eingebildet. Ich fragte Paul nach seinen Gründen, ein Schlauchboot zu lösen. Er konnte sich nicht erinnern, wie er sich nicht erinnern konnte, die ganze Zeit gelacht zu haben. Der Fluss der Zeit hatte sich wieder normalisiert. Die viertel Stunde zur Sankt Bonifazius kam mir schließlich vor wie eine gewöhnliche viertel Stunde, aber die kann auch ganz schön lang sein. Wir wurden vom Chefpsychologen, stellvertretender Leiter des Projekt Epsilon und dem Kapitän der Sankt Bonifazius begrüßt. Ersterem konnte man die Enttäuschung ansehen. Projekt Epsilon hatte ganze fünf Stunden gedauert, zumindest Pauls und mein Anteil am Projekt. Was mit den anderen war, blieb vorerst unklar. Ich hatte mir einiges an Geld und einen Kurzurlaub an einem der Ferienorte von New Havanna verdient. Ich würde noch einiges an Befragung über mich ergehen lassen, ebenso Paul, der es mit seiner Vergesslichkeit leichter hatte. Abgemacht war, dass Paul und ich den Urlaub gemeinsam antreten würden, obwohl mein Streben war, Paola wiederzufinden. Es begann zu dämmern, die Sicht war weiterhin schlecht. Es war beschlossene Sache auf Position zu bleiben, zu warten, bis die anderen sich meldeten oder mit dem Schlauchboot zur Sankt Bonifazius zurückkehrten oder zumindest solange bis der Sichtkontakt möglichst gut war. Für mich war ausgeschlossen, im Rahmen einer Rettungsaktion zur Küste zurückzukehren, unser Cocktail war so gut wie wirkungslos. Ich nahm nicht an, dass man dies von uns verlangte. Ich würde wieder ein normaler Mensch, der ohne irgendwelche Pharmaprodukte leben konnte. Nach einem üppigen Abendessen teilte ich Paul meine Absicht mit, mich zu besaufen, das Problem war nur, eine Quelle aufzutun. Ich nutzte eine kurze Gelegenheit, die ich mit dem Kapitän alleine verbrachte, mein Anliegen zu vermitteln. Er hatte vollstes Verständnis und kurze Zeit später waren wir Besitzer einer kleinen Flasche Wodka. Der halbe Liter sollte reichen. Ein Problem war natürlich, dass wir noch einige Zeit auf See sein durften. Wir hatten mit den Psychologen abgesprochen, dass unsere Medikamente sofort abgesetzt wurde. Man sah darin kein Problem. Ohne explizit nachzufragen, ging ich davon aus, dass das Alkoholverbot damit gefallen war. In der Kajüte nahmen wir uns Becher und gossen uns von der kostbaren Flüssigkeit ein, die etwas gewöhnungsbedürftig schmeckte. Ich stand nicht so sehr auf Spirituosen, aber nicht zuletzt war ich auch Wirkungstrinker. Wir begannen, über die nähere Zukunft zu sprechen. Inwieweit hatte sich mit der Teilnahme an Projekt Epsilon unsere Aussicht gebessert, ansprechende Jobs zu bekommen? Würde ich jemals die Gelegenheit bekommen, wieder über die Geschichte der Erde zu lehren? Ich, ein schlecht verkappter Oppositioneller! Die Aussichten von Paul waren irgendwie besser, zumal immer ein Bedarf nach Techniker bestand. Wir wollten New Havanna noch vor Ausbruch des Winters aufsuchen. Wir konnten noch mit warmem Wetter rechnen, die Tage wurden zwar merklich kürzer, aber viel Sonnenschein war garantiert. Ich schwärmte von den Frauen von New Havanna. „Die Frauen sind deutlich billiger als bei uns. Wenn du die Richtige gefunden hast, begleitet sie dich den ganzen Urlaub.“ Die letzten Tage in Athens hatten Paul und mich zusammengeschweißt. Ich hatte in meinen verschiedenen Lebensphasen nicht oft sagen können: „Ich habe einen wirklichen Freund“ Paul war so ein Freund. Es störte ihn nicht, dass ich ein Ketzer war, ein Ungläubiger, der sein Denken infrage stellte. Wir hofften in Athens auf Katharina zu treffen, um gemeinsam mit ihr Abenteuer zu bestehen. Wir hatten beide das Gefühl, dass sie wieder auftauchen würde. Ich würde ihr von meinem kurzem Abenteuer mit den Aborigines erzählen, mehr von dem Stich und das alles in allem ihr Kraut dagegen recht harmlos sei, würde davon nehmen und vermutlich in die ewig gleiche Paranoia
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