Auf Inseln (German Edition)
verfallen, die ich aber in Kauf nehmen wollte, wenn ich an ihren Brüsten lecken konnte. Meine begeisterte Schilderung, alle Frauen in New Havanna ohne Kopftuch betrachten zu können, nahm Paul mit gemischten Gefühlen auf. Es störte womöglich sein religiöses Grundgefühl. Ich hatte die für mich nicht so unwichtige Hoffnung, dass er mit jedem gemeinsamen Rausch, mit jeder Frau in seinem Empfinden weltlicher wurde. Wir würden noch viele gemeinsame Diskussionen führen. Hier und jetzt schilderte ich im Detail meine Visionen, ließ nichts aus und er konterte. „Und du glaubst nicht, dass es etwas Größeres gibt, das deinen normalen Sinnen verschlossen bleibt?“ Ich lehnte diese Art von Argumentation ab. Unsere Diskussion führte zu nichts, wurde unterbrochen, da man uns die Nachricht brachte, dass das zweite Schlauchboot unterwegs sei. „Es sind nur die Männer“ Diese berichteten dann, dass die Frauen tot seien. Sie wurden gefragt, wer sie umgebracht hätte. „Vermutlich die Aborigines“, war ihre Antwort. „Mit Messern“, sie könnten sich an kaum etwas erinnern. Als der Wahn aufgehört hätte, die Aborigines verschwunden waren, hätte man die toten Frauen entdeckt.
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Eine weitere Hibernation liegt hinter ihnen. Unentwegt nimmt die Finder weiter Fahrt auf und befindet sich in Regionen, die erheblich sternenreicher sind, als die der Randwelt von der sie stammen. Mit jeder Sekunde, die verstreicht, wird das Universum um sie herum bizarrer. Die Sterne, die vor ihnen liegen, sind harte Röntgenquellen, deren Strahlung nach jedem Atemzug härter wird. Sie können den Raum mit seinen Objekten nur überwinden, indem sie diese Entfremdung zu ihrem Universum bewirken. Hier glaubt niemand mehr an Astrologie, ein Luxus, den man sich in verschlafenen Heimatwelten leisten kann, an Plätzen, an denen sich die Konstellationen für den Menschen nur langsam verändern. Die besonders nahen Röntgenstrahlen werden, schnell zurückgelassen, zu extrem langwelligen Radiosendern, deren Programm niemand versteht.
Unter diesen Randbedingungen beschäftigt sich Robert mit seiner Lieblingsbetätigung, dem Trinken. Anderes würde er vielleicht auch gerne tun, aber das bleibt ihm verwehrt. In seinem Denken ist das intime Verhältnis zu einem Menschen zu einer Sache beziehungsweise zu einem erregenden Zeitvertreib verkommen. Vanessa mag ihn, keine Frage. Sie sind befreundet und sie tickt ähnlich wie er, fühlt sich aber, was diesen Zeitvertreib betrifft, zum gleichen Geschlecht hingezogen. Das hat sie ihm irgendwann vor der letzten Hibernation gesagt, als seine Annäherungsversuche zu heftig wurden. Sie verschweigt ihm aber, ob sie hin und wieder ihre Neigung auslebt. Sie kamen sich näher in einer Phase vergeblicher Aufklärung. Der Mord bleibt unaufgeklärt, seine Nachwirkungen an Bord sind verheerend. Es gibt kaum Vertrauen unter den Besatzungsmitgliedern. Starkes Vertrauen wurde nie an Bord gebraucht. Distanzierte Verhältnisse waren ausreichend, um ihre Mission in Gang zu halten. Anstelle von Vertrauen hat sich eine Atmosphäre diffuses Misstrauen entwickelt, die das Leben hier an Bord überschattet. Der, der hier keine Freunde hat, ist völlig verloren. Paul vertraut Robert und dieser Vanessa und Paul. Erleichterung würde eventuell die Gewissheit über das Motiv des Mordes geben, wenn man wüsste, dass zum Beispiel Eifersucht zum Mord führte, etwas, das sich nicht wiederholen würde, keine weitere Gefahr, aber sie wissen nichts. Es könnte jederzeit wieder passieren. Neben den unwägbaren Gefahren ihrer Reise scheint für den Einzelnen eine weit größere hinzugekommen zu sein. Robert findet, dass er sich an einem beschissenen Platz des Universums befindet. Die Untersuchungskommission ist aufgelöst, weil sie zu keinen Ergebnissen kommen konnte. Die Kameras und die Mikrofone sind geblieben und der Mörder ist offensichtlich vorsichtig. Die Frauen scheinen noch entfernter, da schon vier von den vierzehn wieder Kopftücher tragen. Es hat sich ein Bibelkreis gebildet, für Robert eine kaum vertrauensschaffende Maßnahme. Hin und wieder werden kleine Andachten organisiert, man erlernt Praktiken der Teufelsaustreibung, denn womöglich ist einer der Besatzung befallen. Robert hat wieder Zeit für sich, die er totschlagen kann. So oft wie er kann, greift er zum Alkohol, hört nicht auf die Ratschläge von Vanessa und die der Kollegen.
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