Auf sie mit Gebell: Bernie und Chet ermitteln - Roman (German Edition)
Bernie hindurchzusehen. Unmöglich. Was bedeutete »sofort« eigentlich genau? So, wie ich es verstand, bedeutete es »relativ bald«, »in nicht allzu langer Zeit«, aber nicht …
»Sofort bedeutet sofort!«
Wenn er wollte, konnte Bernie sehr laut brüllen. Der Boden um mich herum schien zu beben. Das schaffte selbst Bernie nicht, versteht sich, es fühlte sich nur so an. Ich drehte mich noch einmal zu dem Nabelschwein um. Es war weg. Es wäre ein Leichtes gewesen, ihm zu folgen, ich hätte es binnen kürzester Zeit eingeholt, aber …
»Chet!« Der Boden bebte, da war ich fast sicher. Ich ließ meinen Schwanz über den Boden schleifen, während ich zu Bernie hochtrabte, allerdings so langsam wie möglich. Er klang wütend, daran bestand kein Zweifel. Aber als ich bei ihm angekommen war, umarmte er mich. »Einen so schönen Tag wollen wir doch nicht beim Tierarzt verbringen«, sagte er. »Erinnere dich an letztes Mal.« Ich erinnerte mich nicht. Bernie gab mir trotzdem einen Hundekeks, keinen der Gourmetkekse von Rover and Company, nur einen von den billigen aus dem Supermarkt, aber schlecht waren die auch nicht. Ich schlang ihn herunter, stellte mich auf die Hinterbeine und gab Bernie einen dicken Kuss. Er lachte und sagte: »So, und jetzt los.« Und dann lief er leicht schlurfend – ja, anders konnte man es leider nicht nennen – weiter den Weg hoch. Womöglich hinkte Bernie sogar ein bisschen. Das passierte manchmal, besonders wenn er müde war. Das hatte mit seiner Verletzung zu tun, eine uralte Verletzung aus einem Wüstenkrieg, nicht unsere Wüste, eine andere, weit weg. Ich trabte neben ihm her und schnüffelte dabei am Boden.
Wir liefen um die Biegung, an dem flachen Felsen vorbei und auf den Kamm zu. Bernie keuchte und japste, ich locker neben ihm her, wobei ich ab und zu völlig grundlos die Zunge weit rausstreckte. Über uns kreiste ein großer schwarzer Vogel am Himmel, der jetzt ganz klar war; noch ein Zeichen dafür, dass die große Hitze vorbei war. Ich mochte keine schwarzen Vögel, übrigens auch keine anderen Vögel.
»Chet? Warum knurrst du denn?«
Meinte er mich?
»Bist du müde? Willst du eine Pause machen?«
Meinte er mich?
»Ist da vorne nicht eine Bank?«
Wir liefen zu der kleinen Erhebung mit dem Aussichtspunkt und der Holzbank. Bernie ließ sich darauf fallen und sagte: »Ah.« Ich stellte mich neben ihn. Von hier aus konnte man in der einen Richtung manchmal die Bürotürme im Zentrum sehen, aber keiner von uns sah in diese Richtung. Bernie betrachtete den Himmel, und ich betrachtete Bernie. »Was für ein Tag«, schwärmte er. Der große schwarze Vogel war verschwunden. Bernie holte eine Flasche Wasser und eine kleine Schüssel aus seiner Bauchtasche. Wir tranken, Bernie aus der Flasche, ich aus der Schüssel. Ich hatte ein paarmal versucht, direkt aus der Flasche zu trinken – gar nicht so einfach.
»Ich will’s ja nicht verschreien«, sagte Bernie, »aber es könnte gut sein, dass wir bald wieder flüssig sind. Erinnerst du dich an die fünftausend, die ich gestern in die Zinn-Futures investiert habe?« Ich erinnerte mich an das Scheckbuch, aber fünftausend? »Du wirst es nicht glauben – aber es sind jetzt schon sechstausend. Quasi über Nacht! Plus das leicht verdiente Geld von Adelina. Es ist mir fast peinlich, es zu nehmen. Dieser Staatsanwalt in Manhattan hat wahrscheinlich recht – es besteht überhaupt kein Anlass zur Sorge.« Bernie drehte sein Gesicht zur Sonne und schloss die Augen. Plötzlich sah er viel jünger aus, und ich sah die Ähnlichkeit mit Charlie. »Das Leben ist schön, Chet. Warum vergisst man das eigentlich immer wieder?« Armer Bernie. Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete, und drückte einfach nur meinen Kopf gegen sein Bein. Er kraulte mich zwischen den Ohren. Ich schloss ebenfalls die Augen und konzentrierte mich ganz und gar auf die Sonne und die laue Luft und …
Krach! Schwirr!
Was war das denn? Ein lauter Knall hallte durch den Canyon, und dann passierte etwas ganz Merkwürdiges: Meine Schüssel war plötzlich in der Luft, und glitzernde Wassertropfen flogen herum. Ehe ich mich’s versah, hatte sich Bernie von der Bank fallen lassen und mich gepackt. Zusammen rollten wir über den Boden, stießen gegen etwas Hartes – in dem Moment hörte ich ein weiteres Krach-Schwirr – und landeten hinter dem Felsen. Dann kam noch ein Krach-Schwirr, dieses Mal von einem Pling gefolgt, und ein Splitter von dem Felsen direkt über meinem Kopf
Weitere Kostenlose Bücher