Auf und ab - Mord in Hellwege
feststellte, zu wenig Zeit für Familie und Hobbys. Er war im Grunde immer im Einsatz und hatte im Geiste immer den Blaumann an.
Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es schon nach halb sieben war, und er hatte bis eben am Einbau einer Metalltreppe in dem großen Einkaufszentrum in Posthausen, das sein größter Kunde war, gearbeitet, damit seine Mitarbeiter sie morgen fertigstellen konnten. Vor einer halben Stunde hatte seine Frau Anja über Handy angerufen und ihm mitgeteilt, dass an dem Hochsitz, den Kasing senior für Klaus Fermental, den Jagdpächter, gebaut hatte, irgendetwas nicht in Ordnung sei. Bernd solle sich das doch einmal ansehen.
Fermental war ein Jagdkollege seines Vaters, was auch der Grund dafür gewesen war, dass Bernd diesen Auftrag seinem Vater überlassen hatte. Eigentlich hatte der nichts mehr in der Werkstatt zu suchen, und das Ergebnis sah man ja auch jetzt: Nun musste natürlich er noch in den Wald und sich das Elend ansehen und für die Beseitigung der Mängel sorgen.
Einige Autos begegneten ihm auf der nur relativ wenig befahrenen und schlecht ausgebauten Verbindungsstraße nach Hellwege. Bei fast allen hob er die Hand zum Gruß – er kannte die meisten Wagen und deren Insassen, schließlich war er hier in der Gegend aufgewachsen.
Zuerst Frank Mullemann, der hatte Feierabend und fuhr zu seiner Freundin, dann Marie Fermental, die hatte Geld, immer frei und fuhr wohl noch zum Einkaufen, und schließlich Fritz Strohkirch, Rentner, wahrscheinlich auf dem Weg zur Massage, von der er seinen Bekannten immer so begeistert berichtete. Alle konnten sich denken, welche Art von Massage das war, allein seine Frau war ahnungslos.
Einen Fahrer kannte er nicht, und als er dem Fahrzeug ausweichen musste, knallte sein Transporter so stark durch ein Schlagloch am Rande der Straße, dass er sich fast den Kopf an dem Wagendach gestoßen hätte und das Werkzeug auf der Ladefläche durcheinanderflog.
»Scheißkerl!«, fluchte er laut.
Als er an der Zufahrt zum Flugplatz vorbeikam, fuhr er langsamer und wäre am liebsten abgebogen, um noch schnell eine Runde oder zwei im Flieger zu drehen, aber dienstags gab es keinen Flugbetrieb, und ein Flugleiter war meistens nicht am Platz. Deshalb fiel es ihm nicht allzu schwer, das Pflichtgefühl die Oberhand behalten zu lassen. Seit drei Jahren hatte er seine Pilotenlizenz und nutzte jede freie Minute, um in die Luft zu kommen, aber die hatte es in der letzten Zeit leider nicht viele gegeben.
Er bog in den Sandweg zum Hochsitz ein und musste anhalten. Die Leichtmetallleiter, die auf dem Gestell auf dem Transporterdach gelegen hatte, hatte sich losgerüttelt und war kurz davor herunterzufallen. Er musste aussteigen und sie richtig befestigen.
Als er wieder startete, hatte sich die strahlende Helligkeit des Sommertages gelegt, und der Wagen zog auf dem trockenen Weg eine riesige Staubfahne hinter sich her. Er fuhr schnell, denn er wollte bald Feierabend machen. Die Metallteile und das Werkzeug hinter ihm machten einen Höllenlärm, als er ohne auszuweichen über die Löcher und Unebenheiten des Weges polterte. Die letzten Sonnenstrahlen suchten sich ihren Weg durch die Blätter und Zweige der Bäume, die Sonne würde bald verschwunden sein, aber für eine Inspektion der handwerklichen Sünden seines Vaters würde es noch hell genug sein. Während er sich bereits Gedanken darüber machte, was mit dem Hochsitz wohl alles nicht in Ordnung sein könnte, erreichte er die erste Biegung. In etwa dreißig Metern Entfernung entdeckte er etwas auf dem Sandweg, das ihn auf die Bremse treten und sofort langsamer fahren ließ. Er streckte seinen Kopf automatisch nach vorn, um besser sehen zu können, und seine Pulsfrequenz schnellte in die Höhe.
Der außergewöhnlich schöne Spätsommerabend hatte Holten und seine Frau noch zu einem Spaziergang verführt.
› Verführt ‹ war das richtige Wort, denn der Ort Hellwege mit seinen gut tausend Einwohnern war eins der Kleinode unter den Ortschaften in der Region. Niemand konnte sich dem Charme dieses Dorfes und der umliegenden Landschaft entziehen.
Hellwege lag an der Kreisstraße 205, die in wenigen Hundert Metern Abstand parallel auf der Südseite des Flüsschens Wümme verlief. Die lockere, ländliche Bebauung in Ost- Westrichtung erstreckte sich über knapp zwei Kilometer und verdichtete sich zum zentral gelegenen Ortskern. Von dort führte eine Straße in nördliche Richtung nach Sottrum und eine zum kleinen Flugplatz, den
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