Auf und davon
richtig
schwarz.“
„Natürlich bin ich richtig schwarz.“
„Aber nicht sehr schwarz. Es fällt
nicht so sehr auf — nur dein Haar.“
„Ich kann nichts an meinen Haaren
machen.“
„Du könntest sie zudecken. Du könntest
dir eine von diesen Mützen kaufen, wo vorn was draufsteht. Wie sie am Strand
alle eine haben.“
„Daß ich schwarz bin, sieht man aber
immer noch.“
„Ja, wenn man richtig hinschaut. Aber
ich meine... also, wenn man nicht ganz genau hinschaut...“
„Oh — jetzt verstehe ich. Du meinst,
wenn die Leute auf der Straße an mir vorbeigehen, denken sie nicht mehr, das
ist ein schwarzer Junge, ob das wohl Nathan Browne ist? Sie denken nur einfach,
ich bin ein Junge.“
„Genau. Besonders wenn sie uns zusammen
sehen.“
„Dann laß uns die Sachen jetzt kaufen“,
sagte Nathan.
„Ja — aber ich glaube, wir sollten
nicht zusammen rausgehen.“
„Warum nicht?“
„Damit uns die Polizei nicht zusammen sieht,
bevor wir was an uns verändert haben. Vielleicht war der dicke Mann schon da.“
Schweigen.
„Ich gehe“, sagte Nathan. „Ich kann
schneller rennen als du.“
„Stimmt. Aber du mußt Kleider für mich
kaufen, und wenn sie nicht passen...“
Nathan maß sie mit den Augen. „Ich
kriege schon die richtige Größe“, versprach er.
„Ich geb dir Geld.“
„Nein, ist schon okay.“
„Doch, ich geb dir welches.“
„Nein, ist okay — wirklich.“
Das war das erste Mal, daß einer von
beiden sich erbot, für den anderen etwas zu kaufen.
Nathan verließ das Haus ungesehen. Der
Regen hatte aufgehört. Eine blasse, wässrige Sonne versuchte sich durch die
Wolken zu drängen. Sie wärmte noch nicht, aber die Helligkeit munterte ihn
wenigstens etwas auf. Nathan platschte auf dem Weg zu den Geschäften durch die
Pfützen.
Die Kleider für Julia waren kein
Problem. Jeans und T-Shirts gab es überall zu kaufen, und keiner kümmerte sich
darum, daß sie nicht in Nathans Größe waren. Er brauchte nur zu sagen, sie
seien für seinen Bruder. Das war nicht einmal richtig gelogen, weil Julia so
eine Art Bruder für ihn werden würde. Mit der Schere war es schon schwieriger.
Er betrachtete die Auslagen in den Schaufenstern, und endlich entdeckte er in
einer Drogerie ein paar gebogene Nagelscheren. Er ging hinein und kaufte eine
in der Hoffnung, daß sie ihren Zweck erfüllte. Beim Verlassen der Drogerie
wurde ihm zum erstenmal wieder bewußt, daß er in Gefahr war. Auf der anderen
Straßenseite stand ein Polizist, und er schaute zu ihm herüber — sehr genau.
Nathan versuchte die Nerven zu
behalten. Vielleicht schaute der Polizist ihn ja nicht wirklich an. Vielleicht
beobachtete er die Drogerie. Vielleicht wollte ein Dieb die Drogerie ausrauben,
und der Polizist war da, um den Dieb zu schnappen. Nathan schlenderte mit
seiner Plastiktüte aus dem Jeans-Laden die Straße entlang.
Der Polizist blieb auf der anderen
Straßenseite immer auf gleicher Höhe mit ihm, und er schaute immer noch
herüber.
Keine Panik, sagte Nathan sich. Es war
gut, daß er jetzt hier war und nicht Julia. Julia hätte mit Sicherheit
durchgedreht. Der Polizist konnte gar nicht wissen, daß er Nathan war. Wenn er
es sicher wüßte, hätte er inzwischen schon versucht, ihn festzuhalten.
Wahrscheinlich hatte er den Auftrag, nach allen schwarzen Jungen Ausschau zu
halten. Wahrscheinlich würde er sich gleich nicht mehr um ihn kümmern, wenn er
sah, daß Nathan unbeeindruckt blieb.
Der Polizist kam über die Straße auf
ihn zu.
Nathan rannte los. Sein Glück war, daß
viel Verkehr war, der den Polizisten aufhielt. Bis er Nathans Straßenseite
erreicht hatte, bog Nathan schon um die nächste Ecke und in eine Seitenstraße.
Im Laufen hörte er die Trillerpfeife des Polizisten. Er mußte sich verstecken.
Verzweifelt schaute er sich um. Geschäfte und Cafés kamen nicht in Frage. Falls
ihn da jemand erkannte, saß er in der Falle. Er schlängelte sich zwischen
anderen Fußgängern durch, und ein paar Leute schimpften und sagten, er solle
gefälligst aufpassen, wo er hinlaufe. Jeden Augenblick konnte jemandem
klarwerden, daß hier nicht einfach ein Junge lief, sondern daß es sich um einen
Jungen handelte, der vor der Polizei davonlief.
Er bog um die nächste Ecke und wieder
um eine und wieder. Niemand schien ihm zu folgen. War er noch einmal
davongekommen? Er stand auf einem großen Platz. Sein Herz klopfte inzwischen
wild, sein Atem kam keuchend, und er hatte Seitenstechen. Er wußte, daß er
nicht mehr
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