Auf und davon
sich total unvernünftig, doch Nathan konnte sagen
und tun, was er wollte, sie ließ sich zu nichts bewegen.
„Ich weiß was“, versuchte er es, „zieh
dir die Kapuze von deinem Anorak über den Kopf.“
„Mein Anorak hat keine Kapuze. Ich hab
sie verloren.“
„Dann die vom Regenmantel. Der
Regenmantel hat eine Kapuze.“
„Er ist für Mädchen. Wie kann ich einen
Mädchenmantel tragen, wenn ich ein Junge sein soll?“
„Dann setz die Mütze auf!“
„Nein.“
„Was willst du überhaupt?“
„Hierbleiben.“
„Das können wir nicht.“
„Nur eine Nacht noch. Bis morgen ist
mein Haar vielleicht wieder ein Stück gewachsen.“
„Viel bestimmt nicht. Und du willst
doch nicht etwa so zum Frühstück gehen? Was wird Mrs. Parsons sagen, wenn sie
dich so sieht?“
Die Vorstellung war unerträglich. „Ich
geh nicht zum Frühstück. Ich bleib hier im Zimmer.“
„Aber danach gehen wir, ja? Jule?
Danach gehen wir?“
Im grausam hellen Tageslicht? Mit der
Morgensonne auf ihrem geschorenen Kopf?
„Nein“, sagte Julia.
„Was soll das heißen, nein?“
„Daß ich nicht rausgeh, nicht bevor
mein Haar gewachsen ist.“
Nathan verlor die Geduld. „Blöde Kuh.“
„Bin ich nicht.“
„Doch, du bist ein kuhblöder Doofkopf.“
„Ich hasse dich, Nathan Browne.“
„Und ich hasse dich.“
„Wäre ich bloß nie mit dir weggelaufen.“
„Gut.“
„Ich will heiiiim!“ heulte Julia
plötzlich verzweifelt.
„Kannst du aber nicht.“
Warum eigentlich nicht? Es hatte einen
Grund gegeben, doch mit dem zeitlichen Abstand und in ihrem Elend konnte sich
Julia nicht mehr erinnern, weshalb sie nicht nach Hause gehen konnte.
„Kann ich wohl. Und du kannst mich
nicht aufhalten.“
„Dann geh.“
„Ich gehe jetzt.“
„Geh doch, hab ich gesagt.“
„Es ist alles deine Schuld. Wegen dir
bin ich mitgekommen. Ich erzähl ihnen alles von dir, wenn ich heimkomme.“
„Und wenn schon.“
„Wegen dir hab ich mir auch die Haare
geschnitten.“
„Hättest du ja nicht machen brauchen,
Rattengesicht! Kann nicht mal lesen, die dumme Kuh. Kuhdumm!“
Julia drehte das Gesicht zur Wand und
verharrte in verletztem Schweigen. In seiner Wut und Verzweiflung kickte Nathan
gegen seinen Bettpfosten, dann gegen Julias. Dann trat er ans Fenster und malte
mit dem Finger Muster auf die Scheibe. Dabei summte er vor sich hin, um zu
zeigen, wie wenig der Streit ihm ausmachte. In Wahrheit war er jedoch mit
seiner Weisheit am Ende und hatte keine Ahnung, was er jetzt machen sollte.
Plötzlich hielt er mitten in der Bewegung inne. „Jule — da kommt ein
Polizeiauto.“
Keine Antwort.
„Sie halten. Sie halten vor dem Haus.
Jule — die Polizei kommt an die Tür!“
Da erst drehte Julia sich um, die
hellen Augen voller Angst. „Kommen sie wegen uns?“
„Wahrscheinlich.“
„Mach was, damit sie mich nicht
kriegen! Schließ die Tür ab, Nathan, laß sie nicht rein!“
„Das ist nicht gut.“
„Was dann? Was sollen wir machen?“
„Wir könnten aus dem Fenster klettern.“
„Es ist zu hoch, ich hab Angst.“
„Ich könnte rausklettern.“
„Aber ich hab Angst!“
Die Türglocke schellte durchs Haus. Sie
schauten sich entsetzt an.
„Wir klettern aus dem Fenster, wenn die
Polizisten im Haus sind. Komm, Jule, ich helf dir.“
„Nein, ich hab Angst. Ich hab Angst!“
Nathan wußte nicht, was er machen
sollte. Er wollte sie nicht im Stich lassen, aber... „Dann laß uns warten, bis
sie im Flur sind“, sagte er. „Wir könnten vielleicht die Treppe runterrennen.
Wir könnten es schaffen. Wenn sie nicht an der Tür stehenbleiben. Dann könnten
wir rausrennen. Vielleicht.“
Er öffnete die Zimmertür, schlich auf
Zehenspitzen zur Treppe und beugte sich übers Geländer, um zu sehen, was unten
vor sich ging. Er sah Mrs. Parsons zur Tür humpeln und hörte, worüber unten
gesprochen wurde. Einen Augenblick später war er wieder im Zimmer. Er grinste
über das ganze Gesicht.
„Alles in Ordnung. Sie sind nicht wegen
uns gekommen.“
„Wegen was dann?“
„Wegen einem Haus in der Nachbarschaft,
in das eingebrochen wurde.“
„Sicher?“
„Ja, bestimmt nicht wegen uns.“
„Dann wissen sie nicht, daß wir hier
sind?“
„Nein.“
„Mann, hab ich Angst gehabt!“
„Du hast doch gesagt, du willst nach
Hause.“
„Ich hab’s mir anders überlegt.“
„Sollen wir dann abhauen? Wenn die
Polizei wieder weg ist?“ Julia äußerte sich nicht. Sie stand neben Nathan ein
paar
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