Auf und davon
sehr erwachsen. Aber weißt du, Beverley, ich nehme an, es
gefällt dir nicht, wenn ich das jetzt sage, aber ohne das ganze Zeug auf deinem
Gesicht siehst du nicht viel älter aus als elf!“
8.
Auf der Flucht
„Mann, du hast dir vielleicht Zeit
gelassen“, sagte Nathan wütend. Er saß auf seinem Bett, die Knie bis zum Kinn
hochgezogen. In seinen Augen stand die nackte Angst. Er hatte ein schlechtes
Gewissen, weil er Julia im Stich gelassen hatte, und natürlich ließ er das
jetzt an ihr aus.
„Du hast mich im Stich gelassen“,
jammerte Julia. „Warum hast du mich im Stich gelassen?“
„Ich hab gedacht, der Mann hat dich
geschnappt.“
„Trotzdem hättest du mich nicht im
Stich lassen dürfen! Du hättest mich einfach nicht im Stich lassen dürfen!“
„So? Hör doch endlich auf damit. Es
wird langweilig.“
Julia setzte sich aufs Bett und wandte
Nathan den Rücken zu. Sie war gekränkt.
„Wie ist es weitergegangen?“ fragte
Nathan sauer.
„Warum interessiert dich das?“
„Okay, dann sag ich eben nichts mehr.“
„Ich bin freigekommen, das siehst du
doch.“
„Gut.“
„Warum gut? Dich kümmert’s doch nicht.“
„Tut es doch.“
„Eben nicht. Du hast mich im Stich
gelassen.“
„Fang nicht wieder damit an. Wir müssen
weg.“
„Wie meinst du das? Wohin denn?“
„Weg. Weg von Brighton.“
„Warum?“ fragte Julia. „Ach ja, der
Mann. Er erzählt der Polizei von uns. Meinst du das?“
„Sie suchen bald überall nach uns.
Vielleicht suchen sie jetzt schon.“
„Aber sie wissen doch nicht, daß wir
hier in dem Haus sind. Uns kann nichts passieren, wenn wir im Haus bleiben.
Können wir nicht einfach hier im Haus bleiben?“
„Wie stellst du dir das vor? Was wird
Mrs. Parsons sagen?“
„Ach ja — daran hab ich nicht
gedacht... Laß uns trotzdem bleiben, Nathan. Ich will hier nicht weg, mir
gefällt es hier.“
„Mir auch, aber wir wollen doch nicht
geschnappt werden, oder?“
„Okay“, sagte Julia traurig. „Was sagen
wir dann Mrs. Parsons?“
„Sag ihr, daß wir nach Hause fahren.
Sag ihr, daß es unserer Mutter besser geht.“
„Gerade eben hab ich ihr noch gesagt,
daß es ihr schlechter geht.“
„Dann sag ihr gar nichts — gehen wir
einfach.“
„Du willst nicht auf Wiedersehen sagen?“
„Spinnst du?“
„Okay.“
Die beiden holten ihre Strandtaschen
und packten. Plötzlich hielt Julia inne. Ihr Blick wurde leer, und sie ließ
sich schwer aufs Bett fallen.
„Mach voran, Julia, wir haben keine
Zeit.“
„Ich denke nach.“
„Du kannst im Zug nachdenken. Wenn wir
uns nicht beeilen, wartet die Polizei schon am Bahnhof auf uns.“
Keine Antwort.
„Komm, Jule!“
„Sei still, hab ich gesagt. Ich denke
nach... Okay, die Polizei kriegt uns ohnehin, wenn wir so rausgehen, wie wir
sind.“
„Was meinst du mit ,wie wir sind’?“
„So, wie wir jetzt aussehen. Sie wissen
jetzt, daß ich Make-up trage und du keine Brille mehr hast. Wir müssen was
machen, damit wir anders aussehen.“
„Ja — dann machen wir das mal besser.“
„Siehst du? Du hast nicht dran gedacht,
Nathan Browne.“
„Was sollen wir denn machen, damit wir
anders aussehen?“ Lange Pause.
„Ich könnte mir die Haare schneiden“,
sagte Julia. „Sie glauben, daß ich lange Haare hab, aber ich könnte sie mir
abschneiden.“
„Ja, das ist gut.“ Dann fiel Nathan
noch etwas ein, ein Trick, den er aus seinen Büchern kannte. „Du könntest sie
dir ganz kurz schneiden. Du könntest ein Junge sein“, sagte er.
„Ach, Nathan, das kann ich nie!“
„Warum nicht? Du könntest dir die Haare
ganz kurz schneiden und Jeans und ein T-Shirt tragen wie ich.“
„Ich würde blöd aussehen.“
„Bestimmt nicht. Los, Julia, wir machen
einen Jungen aus dir. Du gibst einen tollen Jungen ab!“
„Ich weiß nicht...“
„Wir brauchen eine Schere.“
„Dann müssen wir eine kaufen“, meinte
Julia. In ihrem Kopf drehten sich die Gedanken, doch einer mußte noch
ausgesprochen werden, bevor sie ihn wieder vergaß. „Könnten wir nicht was
machen, damit du auch anders aussiehst? Ein bißchen wenigstens?“
„Wie denn? Ich werd kein Mädchen!“
„Das hab ich auch nicht gemeint. Ich
hab gemeint... Sie suchen nach einem weißen Kind und nach einem schwarzen.“
„Ja - und?“
Und in Brighton gibt es nicht soviele
schwarze Kinder, zumindest nicht soviele wie in London. Dich erkennt man
sofort.“
„Und?“
„Aber du bist nicht ganz
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