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Auf und davon

Auf und davon

Titel: Auf und davon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Thomas
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hätten schlimme Sachen mit uns
gemacht.“
    „Was für Sachen?“
    „Hab ich vergessen“, gab Nathan zu. „Jetzt
weiß ich’s wieder. Sie wollten uns einsperren.“
    Julia grübelte. „Ich glaub nicht, daß
sie das wirklich machen würden... ich glaub nicht, daß sie was wirklich
Schlimmes mit uns machen würden, wenn wir sagen, daß es uns leid tut und wir’s
nicht wieder tun wollen.“
    „Dann willst du also zurück?“
    Julia schwieg und grub den großen Zeh
in den Sand. „Vielleicht“, gab sie schließlich zu. „Wenn meine Mutter mich
mögen würde, würd ich vielleicht zurückgehen.“
    Einen Augenblick spielte auch Nathan
mit der Idee. Er könnte zurückgehen und in seine neue Schule gehen und fleißig
lernen und alle möglichen schweren Prüfungen bestehen. Er könnte es so machen,
daß seine Eltern stolz auf ihn wären. Auf diese Art und Weise könnte er das,
was er ihnen angetan hatte, wieder gutmachen.
    Aber er würde nicht zurückgehen, er
nicht! Er war von zu Hause weggelaufen, und es ging ihm prima, ihm und Julia. „Julia“,
begann er ängstlich, weil ihm plötzlich etwas eingefallen war, „du würdest doch
nicht heimgehen und mich im Stich lassen, oder?“
    „Nein — ich bleib bei dir, Nathan.“
    „Gut. Das ist gut. Gutes altes
Rattengesicht... Was machen unsere Vorräte?“
    „Warte, bis du die Vorratskammer
siehst, die ich ausgebuddelt habe.“
    „Für wieviel Tage haben wir noch zu
essen?“
    „Viele.“ Sie ging nachzählen. „Ungefähr
vier. Es wird schnell weniger.“
    „Ich fahr bald wieder nach Porlock und
hol Nachschub.“
    „Du bist noch nicht ganz gesund.“
    „Bin ich wohl. Fast. In ein paar Tagen
bin ich ganz gesund.“
    „Du bist ansteckend. Eigentlich müßtest
du in Quarantel sein.“
    „Quarantäne. Ja, ich weiß. Ich geh auch
an niemand nah ran. An Kinder jedenfalls nicht.“
    „Denk aber dran.“
     
    Julia war nicht glücklich darüber, daß
Nathan drei Tage später mit dem Rad wegfuhr, doch sie mußte sich damit
abfinden, wenn sie etwas zu essen haben wollten. Nathans Ausschlag war
zurückgegangen, und er hatte ihr am Tag zuvor bewiesen, wie kräftig er schon
wieder war, indem er ein paarmal zu dem Wäldchen und wieder zurück gelaufen war
und Feuerholz geholt hatte.
    Bevor er an dem Morgen losfuhr, gluckte
sie um ihn herum wie eine Henne. Sie bestand darauf, daß er seinen Anorak auch
wirklich anzog, obwohl es recht warm war, und er nahm sich vor, ihn, sobald er
außer Sichtweite war, wieder auszuziehen und wie üblich mit den Ärmeln um die
Taille zu binden.
    Als er gerade abfahren wollte, fiel
Julia noch etwas ein. Sie hatte es schon vorher sagen wollen und hätte es fast
vergessen. „Nathan, du mußt doch nicht dein ganzes Geld mitnehmen. Warum
vergräbst du nicht einen Teil unter deinem Zelt wie ich?“
    Nathan runzelte die Stirn und
schüttelte den Kopf. „Nein — ich hab’s lieber bei mir.“
    „Und wenn du es verlierst?“
    „Ich verlier’s schon nicht. Wie denn?
Ich hab’s lieber bei mir.“ Er fühlte sich sicherer, wenn er das Geld bei sich
hatte, das beruhigende Bündel im Futter seines Anoraks berühren konnte. Daß er
es verlieren konnte, schien ausgeschlossen.
    Oben auf der Straße stellte Nathan
fest, daß es nicht annähernd so warm war, wie er angenommen hatte. Es wehte ein
heftiger Wind, und kleine, rosarote Wölkchen fegten über den Himmel. Fürs erste
wollte er den Anorak doch noch anbehalten.
    Er fühlte sich rundum wohl. Ihm konnte
nichts und niemand etwas anhaben, auch nicht der Porlock-Berg. Das steile Stück
ging er natürlich zu Fuß hinunter und zog die Bremsen fest an. Auf halbem Weg
stand ein Schild, und Nathan ging nah heran, damit er es lesen konnte. Es
warnte vor Autos, die außer Kontrolle geraten könnten, wenn die Bremsen
versagten. Nathan stellte sich ein außer Kontrolle geratenes Auto vor, dann
stellte er sich ein außer Kontrolle geratenes Fahrrad vor, das in einem
irrsinnigen Tempo den Berg hinunterraste, sich an der Böschung überschlug und
dem Fahrer höchstwahrscheinlich das Genick brach. Bei der Vorstellung
schauderte Nathan. Sie war wunderbar fürchterlich, aber nicht wirklich
erschreckend, weil er, Nathan Browne, natürlich viel zu schlau war, um so was
zu riskieren. Wenn er überlegte, wie clever er während ihres ganzen Abenteuers
immer gewesen war, konnte er schon mächtig stolz auf sich sein. Und Julia
natürlich auch. Kein unnötiges Risiko eingehen, sich nicht erwischen lassen,
alle

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