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Auf und davon

Auf und davon

Titel: Auf und davon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Thomas
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austricksen!
    Nathan hielt nach einem
Lebensmittelgeschäft Ausschau, in dem er noch nicht gewesen war. Er wollte
gerade sein Rad anketten, als ihm etwas einfiel.
    Schiffe!
    Seit Wochen schon hatte er keine
Schiffe mehr gesehen. Das Meer war doch ganz in der Nähe. Porlock Weir! Nathan
hatte noch ein Bild im Kopf von einer Mole und darüber einer Reihe Häuschen.
Und unterhalb der Mole der Hafen mit allen möglichen faszinierenden Booten. Da
wollte er zuerst hingehen, es war ja nicht weit. Er wollte sich ein bißchen an
den Hafen setzen und sich die Schiffe anschauen. Und vielleicht...?
    Julia brauchte nicht zu wissen, daß er
nicht direkt zum nächsten Geschäft gegangen und dann gleich wieder
zurückgekommen war. Sie würde es nicht verstehen. Sie hatte nie die Schatzinsel gelesen. Außerdem würde er sich nicht
lange am Meer aufhalten.
     
    Wie üblich war Ebbe. Am Strand waren
einige Leute, die das unsichere Wetter anscheinend nicht störte, aber im Hafen
bei den Schiffen war fast niemand. Die Leute, die sich bei den Booten
aufhielten, schienen sehr beschäftigt zu sein. Keiner nahm Notiz von Nathan.
    Ein kleines Motorboot hatte es Nathan
angetan. Er ging darum herum und schätzte seine Möglichkeiten ab. Da kein
Wasser im Hafen war, hatte sich das Boot leicht auf eine Seite geneigt. Nathan
stellte sich auf die Seite, die sich dem Boden zuneigte, griff nach der Reling
und schwang sich mühelos an Deck. Er hatte Glück, die Luke war nicht
verschlossen. Nathan stieg in die Kabine hinunter. Er war ganz aufgeregt — zum
erstenmal in seinem Leben war er auf einem Boot!
    Innen war es ähnlich ausgestattet wie
der Wohnwagen, es war nur kleiner. Es gab eine winzige Küche, einen Tisch, eine
lange Bank, die wahrscheinlich auch als Bett diente. Nathan setzte sich auf
diese Bank und schaute sich um. In seiner Phantasie befand er sich auf hoher
See, und die leichte Neigung des Bootes bestärkte ihn darin. Nathan war
glücklich.
    In der Kabine war es warm, sogar
ziemlich stickig. Nathan zog seinen Anorak aus und knotete ihn um die Taille,
nur mit einem Knoten diesmal, nicht mit zweien wie sonst. Es war ja nur für ein
paar Augenblicke.
    In diesen paar Augenblicken war er
nicht mehr Nathan Browne. Er war Jim Hawkins aus der Schatzinsel. Nein, nicht Jim Hawkins, der hatte vor
langer Zeit gelebt, als es solche kleinen Motoryachten noch nicht gab. Er war
ein moderner Pirat auf dem Weg in die Karibik in seinem eigenen Schiff, und er
wollte nach versunkenen Schätzen suchen. Oder noch besser — er war ein einsamer
Yachtkapitän, der allein die Welt umsegelte und Stürmen und Haien trotzte...
    Nathan ging so in seinen Phantasien
auf, daß er die Schritte auf Deck nicht hörte. Er hatte keine Ahnung, daß er
nicht mehr allein auf dem Boot war, bis die Luke plötzlich aufflog und ihn von
oben ein wütendes rotes Gesicht anstarrte.
    „Du kleine Ratte!“ brüllte eine Stimme.
„Was machst du in meinem Boot?“ Der Mann, zu dem das rote Gesicht und die Stimme
gehörten, war ganz offensichtlich nicht erfreut, Nathan zu sehen.
    Nathan sprang auf, wie von der Tarantel
gestochen. Einen Augenblick lang hatte er Schwierigkeiten, sich zu erinnern, wo
er war, so wirklich war ihm seine Phantasie vorgekommen. Aber er war nicht auf
hoher See und kämpfte auch nicht gegen einen Hurrikan. Er war im Hafen von
Porlock Weir und befand sich unbefugterweise auf einem fremden Boot. Mehr noch,
der Besitzer dieses Bootes stand zwischen ihm und der Freiheit.
    „Komm raus, komm raus da, du kleine
Kröte.“
    Mit klopfendem Herzen gehorchte Nathan.
Er stand auf Deck, voller Angst und Schuldbewußtsein, und der Bootsbesitzer
schaute auf ihn herunter.
    „Was hast du gestohlen?“
    „Nichts, ich hab nichts gestohlen.“
    „Dann dreh die Taschen um.“
    „Ich hab nichts gestohlen, wirklich
nicht.“
    „Du kommst hier nicht weg, bevor du
deine Unschuld nicht bewiesen hast. Die Taschen. Oder soll ich die Polizei
holen?“
    „Nein, nicht die Polizei! Die Polizei
nicht!“
    Vor Angst konnte Nathan nicht mehr
richtig denken. Er war entsetzt, daß ihm so etwas hatte passieren können.
Verzweifelt schaute er sich um, doch es gab kein Entrinnen.
    „Dreh die Taschen um, aber schnell.“
    Nathan hatte nur zwei Taschen in seiner
Jeans, und darin war nicht viel: zwei Zehnpencestücke, ein paar Kupfermünzen,
eine Muschel und ein Kieselstein vom Strand.
    „Okay — jetzt den Anorak.“
    „Im Anorak ist nichts. Ich schwör’s, da
ist nichts.“
    „Spar dir deine

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