Auf und davon
Kopf, Hals, Augen.“
„Bleib liegen, ich mach dir eine Tasse
Tee.“
In der Feuchtigkeit des frühen Morgens
dauerte es lange, bis das Feuer brannte. Außerdem waren Julias Hände nicht die
ruhigsten. Sie hatte jetzt richtig Angst. Was sollte sie machen? Das konnte
nicht nur eine Erkältung sein, was Nathan hatte. Vielleicht war es etwas
Schlimmes?
Endlich konnte sie ihm den Tee bringen.
„Magst du was essen?“ fragte sie hoffnungsvoll.
Nathan murmelte etwas, das sich anhörte
wie „Hoi-ho und ‘ne Buddel voll Rum“, aber natürlich konnte er das nicht
gemeint haben. Julia wartete, während er die halbe Tasse leerte und sie dann
mit zittrigen Händen zurückstieß. „Mach das Zelt zu, Jule, das Licht tut mir in
den Augen weh.“
„Soll ich dich waschen?“ Julia hatte
irgend etwas im Gedächtnis, daß man das für kranke Menschen tat.
„NEIN! Laß mich in Ruhe.“
Tief besorgt ging Julia zum Feuer
zurück und trank ihren Tee. Sie überlegte, ob sie etwas essen sollte, beschloß
dann jedoch, daß sie keinen Hunger hatte. Um etwas zu tun zu haben und nicht
über die Krise nachdenken zu müssen, ging sie zum Wäldchen und sammelte mehr
Brennholz. Sie kam mit einem Armvoll trockener Äste zurück und brachte ein
anständiges Feuer zustande. Sie hielt es für unmöglich, daß man den Rauch von
der Straße aus sehen konnte, aber eigentlich war ihr das im Moment auch egal.
Sie wollte nur, daß es Nathan besser ging. Sie lauschte an seinem Zelt in der
Hoffnung, daß er schliefe, doch er warf sich immer noch unruhig hin und her,
und ab und zu redete er unsinniges Zeug. Julia hörte wieder was von einer
Buddel Rum, und oft ging es um die Polizei, die ihn holen wollte.
Julia faßte einen Entschluß. Auf allen
Vieren kniend, streckte sie den Kopf ins Zelt und rief Nathan in seinem
Delirium zu: „Ich hole jetzt einen Arzt.“
Das hörte er. „Nein, Jule — nein.“
„Aber ich muß. Du bist krank.“
„Keinen Arzt, keinen Arzt. Die Polizei
kommt, wenn du einen Arzt holst.“
„Aber du bist krank, Nathan. Du weißt,
daß du krank bist.“
„Nur eine Erkältung... ich hab mich im
Regen erkältet... ich will keinen Arzt.“
Julia wurde wieder unsicher. Wie wollte
sie das überhaupt machen, einen Arzt holen? Ganz allein nach Porlock fahren?
Aber Nathan war krank, und wenn es sein mußte, würde sie auch allein nach
Porlock fahren. „Okay, aber wenn es dir bis heute abend nicht besser geht,
fahre ich. Ob du es willst oder nicht.“
Sie stand auf, halb blind vor Tränen,
und stolperte, als sie weg gehen wollte, über einen Stein. So
etwas konnte nur ihr passieren. Sie hatte sich den Knöchel verstaucht — nicht
sehr schlimm, aber es tat weh.
„Was war das? Was hast du gemacht?“
rief Nathan.
„Nichts“, antwortete Julia tapfer. Aber
sie war sich nicht sicher, ob sie mit dem verletzten Knöchel weit gehen konnte —
vom Fahrradfahren ganz zu schweigen. Sie humpelte zum Bach und kühlte den Fuß
im Wasser, und jetzt, wo Nathan sie nicht hören konnte, schluchzte sie laut und
ungehemmt. Was sollte bloß aus ihnen werden?
Am Abend phantasierte Nathan nicht
mehr, sondern lag flach auf dem Rücken und schaute mit leeren, glänzenden Augen
zum Zeltdach hinauf. Julia sah ungefähr zum zehnten Mal nach ihm.
„Möchtest du etwas?“
Keine Antwort.
„Ein bißchen Tee?“
Keine Antwort.
„Nathan — willst du nichts?“
Die ausdruckslosen Augen schauten kurz
in ihre Richtung, dann wandte er den Blick wieder ab.
„Oh, Nathan!“ brach es aus Julia
heraus. „Ich will nicht, daß du stirbst!“
„Sterben?... Ich sterbe nicht, du blöde
Kuh.“
„Nathan!“ rief Julia voller Freude. „Es
geht dir besser.“
„Wenn du dich wirklich nützlich machen
willst, kannst du mir eine Tasse Tee machen“, sagte Nathan gereizt.
Nur zu gern humpelte Julia davon, um
ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Nathans krächzender Husten folgte ihr, und
während sie darauf wartete, daß das Wasser kochte, überlegte sie angestrengt.
Wo hatte sie einen solchen Husten schon einmal gehört?
Plötzlich fiel es ihr ein. Eine
Busfahrt und ein lästiges kleines Mädchen mit roten Flecken. Julia ging zu
Nathans Zelt und zog die Öffnung weit auf.
„Meine Augen“, beklagte er sich. „Jule,
ich hab’s dir doch gesagt — das Licht.“
„Ich will dein Gesicht sehen“, sagte
Julia.
Sie betrachtete es eingehend und strich
mit den Fingerspitzen darüber, um ganz sicher zu sein. Nathan wand sich und
versuchte, ihre Hand
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