Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern
zu machen. Sein Auge verfinsterte sich wieder. Die Bestrafungen wegen Versäumnis der Fortbildungsschulen vermehrten sich von Monat zu Monat. Auf dem Land hatte man jetzt während der Erntezeit die Einrichtung überhaupt pausieren lassen müssen. Und wie oft waren die Lehrpläne falsch aufgestellt! Nicht wenige Instruktoren ließen Dinge lehren, zu denen die Vorkenntnisse fehlten. Aber es fanden sich doch auch erfreuliche Erfolge. In manchen Landesteilen, besonders bei der industriellen Bevölkerung, drängte man sich nach den Bildungsstätten. Merkwürdigerweise zeigte sich auch in Süddeutschland, sogar in Tirol, ein Fortschritt in der Popularität der Schulen. Hier stand den Bestrebungen der Nume die feste Organisation der kirchlichen Macht feindlich gegenüber; es schien zuerst, als würde es unmöglich sein, gegen den Fanatismus der von der Geistlichkeit gelenkten Bevölkerung aufzukommen. Aber gerade in diesen Gegenden wurde der Besuch, trotz der lokalen Schwierigkeiten in den Gebirgen, immer lebhafter, es gründeten sich selbständige Vereine, zahlreich wurden Lehrer verlangt.
Der Kultor sann lange über die Ursache dieser Erscheinung nach. War es die natürliche Opposition gegen die Macht, die bisher das Nachdenken geflissentlich vom Volk ferngehalten hatte? Brauchte man dem menschlichen Geist nur die Freiheit und die Gelegenheit des Denkens zu geben, um sicher zu sein, daß er seinen Aufflug gewinnen werde? Oder waren die Instruktoren hier geschickter? Der Kultor las einige der Einzelberichte, und er sah mit Vergnügen, wie gut es die Sendboten der Numenheit verstanden hatten, sich vollständig nach den kirchlichen Gewohnheiten der Bevölkerung zu richten. Nirgends suchten sie Zweifel zu erwecken, nirgends gegen die traditionelle Form zu verstoßen. Sie beschränkten sich zunächst auf rein praktische Kenntnisse, deren Wirkung sich sofort in der Hebung des wirtschaftlichen Lebens zeigte. So gewannen sie Vertrauen. Der Weg ist lang, dachte der Kultor, aber er ist der einzig mögliche.
Der Kultor blickte auf seine Notizen und sprach eifrig in den vom Mars eingeführten Phonographen, der ihm zum Festhalten seiner Gedanken diente. Er entwarf eine Erläuterung zur Instruktion der einzelnen Bezirkskultoren. Die süddeutschen Erfolge sollten zum Vorbild genommen werden. Als er einiges aus der Statistik anführen wollte, stutzte er bei einer Zahl, die von den übrigen auffallend abwich. Wie kam es, daß in dem Bezirk von Bozen die Resultate so ungünstig waren? Er suchte in den Akten den Bericht des Instruktors. Es war die erste Arbeit eines neu hingekommenen Beamten. Die Instruktoren mußten sehr häufig wechseln, das war ein großer Übelstand; sie vertrugen das Erdklima nicht.
Eben begann der Kultor den Bericht zu lesen, als ihm gemeldet wurde, daß der Vorsteher des Gesundheitsamtes von seiner Inspektionsreise zurückgekehrt sei und anfrage, ob er ihn sprechen könne.
»Ich bitte, sogleich«, war die Antwort.
Die Tür öffnete sich, und ein älterer Herr trat ein. Trotz der diabarischen Glocke, die über seinem Haupt schwebte, ging er gebückt und mühsam.
Der Kultor sprang auf und eilte ihm entgegen.
»Mein lieber, teurer Freund«, sagte er, seine Hände fassend, »was ist Ihnen? Sie sehen angegriffen aus, sind Sie nicht wohl? Machen Sie es sich bequem. Legen Sie den Helm ab, und setzen Sie sich hier auf das Sofa unter dem Baldachin, dieses Eckchen ist auf Marsschwere eingerichtet. Ihre Reise hat Sie gewiß sehr angestrengt?«
»Es muß meine letzte sein. Sobald ich meinen offiziellen Bericht abgegeben habe, spätestens in zwei bis drei Wochen, komme ich um Urlaub ein. Ich hoffe, Sie werden mir keine Schwierigkeiten machen.«
»Sie erschrecken mich, Hil! Selbstverständlich können Sie reisen, sobald Sie wollen, sollen Sie reisen, wenn es Ihre Gesundheit erfordert. Aber mir tut es von Herzen leid. Und wie sollen Sie ersetzt werden? In diesem unausgesetzten Wechsel der Beamten – wir haben nun schon den vierten Residenten – waren Sie mir die festeste Stütze. Indessen, ich hoffe, es handelt sich nur um eine vorübergehende Indisposition. Das feuchte Wetter –«
»Ja das Wetter! Sehen Sie, Ell – ich spreche im Vertrauen –, an dem Wetter wird unsre Kunst zuschanden. Der Winter läßt sich allenfalls ertragen, aber gegen diese feuchte Wärme kommen wir nicht auf. Oft habe ich geglaubt, wenn unsre Beamten schon nach wenigen Wochen um Urlaub einkamen, es liege an ihrer Willensschwäche. Ich habe
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