Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern
davon sprechen wollte, weil ich ihnen erst darin die formellen Belege für meine Beobachtungen geben kann. Es ist allerdings eine Gefahr da, eine moralische, die Ihnen in der Auswahl der Beamten ganz besondere Vorsicht auferlegen wird. Es ist mir im allgemeinen aufgefallen, daß die Instruktoren nach einigen Monaten nicht mehr die Ruhe und das heitere Gleichmaß der Gesinnung haben, die wir an den Numen gewohnt sind. Der Umgang mit den Menschen, wenigstens in der autokratischen Stellung, die sie einnehmen, wirkt – verzeihen Sie den Ausdruck – gewissermaßen verrohend, und das äußert sich zunächst in der Sprechweise, in einer Geringschätzung der ästhetischen Form, weiterhin in einer Überschätzung der eigenen Bedeutung, schließlich in einer schon das ethisch Statthafte überschreitenden Selbstherrlichkeit. Ja, ich habe leider einzelne Fälle beobachtet, wo man direkt von einer Psychose sprechen kann, ich möchte sie geradezu den ›Erdkoller‹ nennen.«
»Aber ich bitte Sie, da muß sofort eingeschritten werden. Darüber werden Sie mir eingehend berichten.«
»Als Arzt, gewiß. Das andere wird Sache der revidierenden Unterkultoren sein, wenn nicht gar des Residenten. Denn es können politische Verwicklungen entstehen. Bis jetzt ist die Sache noch verhältnismäßig harmlos, und ich werde die betreffenden Herren schon morgen zur Beurlaubung vorschlagen. Da komme ich zum Beispiel – ich weiß den Namen nicht auswendig – auf eine Kreuzungsstation, wo ich umsteigen muß. Aber der neue Zug kommt nicht und kommt nicht – er hat über eine halbe Stunde Verspätung. Ich erkundige mich dann bei dem Zugführer und höre: Ja, der Herr Bezirksinstruktor ist ein Stück mitgefahren. Ich frage, warum das so lange aufgehalten habe. Der Herr Bezirksinstruktor habe einen eigenen Wagen verlangt, der mußte erst geholt werden. Dann könne er aber den Lärm und Dampf der Maschine nicht vertragen, und so mußte man den Wagen erst an das Ende des Zuges bringen und noch einige leere Wagen dazwischenschalten. Und endlich mußte man mitten auf der Strecke an einem Dorf halten, weil es ihm beliebte, dort auszusteigen.«
»Und sagten Sie nicht, daß die Bahnbeamten solchem unberechtigten Verlangen nicht nachgeben durften?«
»Die zuckten die Achseln und meinten, was will man tun? Man darf sich den nicht zum Feind machen.«
»Die feigen Toren! Aber der Instruktor muß sofort von seinem Amt suspendiert und vor das Disziplinargericht gestellt werden. Das ist ja unerhört, wenn sich diese Angaben bestätigen, ich werde aufs genaueste untersuchen lassen. Wie kann ein Nume seine Berechtigungen so überschreiten!«
»Es würde ihm auf dem Nu nie einfallen. Hier achtet er niemand als seinesgleichen. Die Theorie, daß Bate keine Numenheit besäßen, ist ja sehr verbreitet.«
»Ich werde dafür sorgen, daß sich meine Beamten ihrer Pflicht erinnern, die Gesetze dieses Staates als die ihrigen zu betrachten, so lange sie hier sind, und sich keine privaten Vorrechte anzumaßen. Wie sollen die Menschen lernen, sich dem Gesetz zu fügen, wenn Nume solche Beispiele geben? Ich hätte das nicht geglaubt. Warum aber beschwert sich niemand? Sobald die Presse über einen derartigen Fall berichtete, würde ich sofort untersuchen lassen.«
Hil zuckte mit den Achseln. »Die Untersuchung ist nicht immer sehr angenehm. Es ist schwer, alle Einzelheiten zu beweisen. Übrigens sind solche Fälle glücklicherweise noch vereinzelt. Sollten sie sich wiederholen, so würde die Presse nicht schweigen. Das sehen Sie ja an dem Fall Stuh.«
»Was meinen Sie da?«
»Haben Sie denn die heutigen Mittagsblätter nicht gelesen?«
»Es war mir bis jetzt unmöglich. Aber ich würde natürlich nachher –. Doch was ist denn geschehen? Sie meinen doch nicht Stuh in Frankfurt?«
»Die Sache spielt in der Nähe von Frankfurt. Der Bezirksinstruktor ist vier Stunden im Regen gefahren – beachten Sie das –, kommt in einen kleinen Ort und ist sehr hungrig. Er läßt vor dem Wirtshaus halten. Es ist Sonntag, alle Zimmer sind überfüllt, der Wirt hat selbst Taufe im Hause. Stuh geht in das Gastzimmer und bestellt sich Essen. Die Bauern rücken auch zusammen und machen ihm eine Ecke frei. Nun kommt das Essen. Stuh sagt dem Wirt, die Leute möchten jetzt das Zimmer verlassen, er wolle essen. Der Wirt stellt ihm vor, das könne er nicht verlangen, es sei kein Raum im ganzen Hause frei; selbst der Hausflur war besetzt, und draußen regnete es in Strömen. Da wird Stuh
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