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Aufbruch - Roman

Aufbruch - Roman

Titel: Aufbruch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Hahn
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Komm, mir suchen dir jetzt mal wat aus. Kuck schon mal rein, isch mach uns mal ne Kaffee.«
    Es klingelte noch einmal.
    »Offen«, hörte ich Maria aus der Küche, dann die Stimmen der Mutter, der Tante und von Cousine Hanni.
    »Jeht schon mal nach oben, dat Hilla is auch da.«
    »Wat will dat dann he«, hörte ich die Stimme der Tante auf der Treppe. »Seit wann liest dat dann im Quelle-Katalog und nit in seine Bööscher?«
    »Ja, Hilla! Schön, dat de disch mal wieder blicken lässt!« Hanni war als Erste oben und stellte ihr Backblech, duftend nach Äpfeln, Zimt und Rosinen, ab. Maria deckte den Tisch, Hanni schnitt den Kuchen an, die Mutter streckte Hänsjen ihre Finger zum Knabbern in den Käfig, quietschte, als der zuhackte. Alle redeten durcheinander. Die Tante verlangte den Katalog.
    »Nun esst und trinkt doch erst mal«, sagte Maria.
    »Has de denn auch en bissjen Milsch?«, fragte die Mutter, und Hanni sang: »Nichts jeht über Bärenmarke, Bärenmarke zum Kaffee.«
    »Oder Jlücksklee«, ergänzte die Mutter. »Milsch von jlücklischen Kühen.«
    »Hier die Milsch. Un der Zucker.« Maria reichte beides herüber.
    »Zucker zaubert«, steuerte die Tante ihre Kenntnisse moderner Werbung bei.
    »Ja«, lachte Hanni. »Speck auf die Rippen. Jedes Pfündschen jeht durschs Mündschen.«
    Wie aufs Stichwort gab die Tante noch einen Extralöffel in die Tasse und hob den Kuchenteller an die Brust.
    Schweigend genossen wir die ersten Bissen, bis Maria nicht länger an sich halten konnte: »Is et denn wahr, Hilla, isch hab ja noch jar keine Zeit jehabt zu fragen: Wills de wirklisch nach Köln ziehen?« Aus Marias Stimme klang Ablehnung, fast Geringschätzung, ein Tonfall, den sie sonst nur für Aussagen über Kääls bereithielt.

    »Blödsinn«, schnitt ihr die Mutter das Wort ab. »Wer soll dat dann bezahle?«
    Rudi hatte unbemerkt den Raum betreten, brachte den Geruch von Rasierwasser und Pferden mit. »Wer soll das bezahlen«, flötete er, die Worte der Mutter aufgreifend; alle kannten den Text, »wer hat so viel Geld, wer hat so viel Pinkepinke, wer hat das bestellt?«
    »Jo, du häs jut flöte«, maulte die Mutter, wieder waren ein paar seiner Äcker als Bauland ausgewiesen worden.
    »Komm, Rudi, für disch is auch noch en Stückschen da.« Maria klopfte neben sich aufs Sofa und rückte ein Stück näher an mich heran. Ich rutschte dichter an die Lehne.
    »Nä, isch muss weiter«, sagte Rudi, »aber macht doch mal en bisschen Musick.« Rudi machte sich am Radio zu schaffen, das er der Schwägerin vor kurzem geschenkt hatte. »Is doch nit wie bei ärme Lück«, schwadronierte er. »Mir haben ja jetzt wat Neues. Hie-fie für Menschen mit Wohn- und Lebenskultur. Hie-fie - un dat Zimmer wird zum Konzertsaal. Wat Hilla? Dat wär doch auch wat für disch? Mozart, Beethoven und alles hie-fie.«
    »Hai-fie«, knurrte ich. »Hai-fie heißt das.«
    Rudi ließ sich nicht beirren. »Is doch ejal, wie et heißt. Et klingt jewaltisch. Wie escht.«
    »Ja, un waröm heißt et hai-fie?«, forschte Hanni.
    »Ist ne Abkürzung auf Englisch«, sagte ich.
    »Dat et Englisch is, künne mer us denke«, mischte die Tante sich ein. »Is jo alles Englisch, wat heut modern is. Ävver wat soll et dann heißen?«
    »Hai fideliti«, sagte ich, »das heißt: hohe Treue.«
    »Hohe Treue? Hohe Treue?«, grübelte Rudi der Übersetzung nach. »Rischtisch. Hohe Treue. Wie escht. Dat Zimmer wird zum Konzertsaal. Jenau wie die dat in der Reklame sagen.«
    Zur Tante gewandt, fügte ich hinzu: »Und fidelity, was Treue heißt, das haben die von den Römern. Fidelitas heißt: die Treue.«

    »Do han die auch su viel Wööd us dem Lating wie mir?« Die Tante war sofort dabei, auch, um dem Prahlen des Schwiegersohns etwas entgegenzusetzen, und wenn es nur brotloses Wissen war. »Dat is jo super!« Und an Rudi gewandt: »Dat is auch Latein un meint: obendrauf, darüber.«
    »Obendrauf, darüber«, äffte Rudi. »Isch weiß, wat super is. Ob wat super is oder nit, dat entscheide isch! Ob de weeß, dat dat von dinge Römer kütt, da kanns de dir nix für koofe.«
    Aber die Tante ließ nicht locker. »Un fidel«, sagte sie. »Wenn mir sagen, mir sin fidel, kütt dat och von de Römer?«
    »Super, Tante«, sagte ich anerkennend. »Da hast du recht. Fidel hieß bei den Römern treu. Wörter können ihre Bedeutungen verändern, so, wie Menschen sich verändern im Lauf des Lebens. Aber meist kann man die ursprüngliche Bedeutung noch erkennen. So wie das

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