Aufbruch - Roman
den frischgebrühten Kaffee auf den Tisch. »Wat solle mer dann mit dem Driss? Erst war dat Platt nit mi jut jenuch. Un jitz kütt och noch et Huhdüksch, dat Hochdeutsch, dran! Nit mit ussereinem!«
Die Tante warf mir einen giftigen Blick zu, als hätte ich eigenhändig all die girls, ladies und gentlemen in jeans und slips, in Trachtenlook und warm coats gesteckt.
Hanni aber gefiel das Spiel. »Wat sajen die dann für Kaffe?«, zwinkerte sie mir zu, während die Tante einschenkte.
»Koffi«, erwiderte ich.
»Na siehs de, is doch janz einfach«, sagte sie. »Aber schreiben? Wie schreiben die dat?«
»Fast so wie wir«, sagte ich und buchstabierte. »Dafür aber fast alles klein. Auch die Dingwörter. Nur ›ich‹ schreiben die immer groß.«
»Na also, ist doch wirklich nit so schwer, auf Englisch. Wenn die nur nit su verröck schreiben täten. Da hilft dat Kleinschreiben auch nit viel«, maulte Hanni. »Un ›ich‹ immer jroß? Die han et wohl nüdisch!«
»Hier wird jitz op Deutsch Kaffe jetrunken«, die Stimme der Tante vertrug keinen Widerspruch: »Mer kalle un mir drinke, wie us de Schnüss jewaaße es, un wäm dat nit pass …«
»Mama«, fiel ihr Hanni ins Wort, »nu näm et nit eso ernst. Is doch super, wenn du jitz bei ›lädilaik‹ nachkucken kannst un nit mehr bei ›für die starke Dame‹. Da bis de direkt ein paar Pfund schlanker.«
Die Tante schnaufte.
»Auch, wenn de davon kein Jramm abnimmst«, stichelte die Mutter.
»Und wisst ihr auch, wie man das nennt? Wenn da steht ›lady like‹ und nicht ›für die dicke Frau‹? Euphemismus nennt man das, kommt aus dem Griechischen und heißt schönreden, beschönigen. Also …«
»Heldejaad!«, fuhr die Tante mich an. Heldejaad, nicht Hilla. »Nit auch noch de Jrieschen! Wie die kalle, weiß ich von dene aus de Baracke. ›Nix spreschen Deutsch.‹ Do solle se doch doheim bliewe!«
»Mama«, wies Hanni die Tante zurecht. »Lass dat Hilla doch. Is doch schön, wat et alles weiß! Isch find dat lustisch. Ne jute Trick. En schönes Wort für ne fiese Sache.«
»Ja«, nickte ich dankbar und begeistert. »Kuckt doch mal in den Katalog. Da gibt et kein ›billig‹ und kein ›teuer‹. Was billig ist, heißt ›preiswert‹ und ›günstig‹, und statt ›teuer‹ steht da ›hochwertig, anspruchsvoll, exklusiv‹.«
»Un immer klitzekleinjedruckt am Ende, wat es kostet«, ergänzte Maria.
»Jenau!« Auch die Mutter wollte gegen die Tante mithalten.
»Is doch wahr«, lenkte die Tante ein. »Wat Hänsje? Du bis un bleibs doch en Vöjelschen!« Und der Vogel schien zu wissen, wer jeden Morgen seinen Napf füllte, und jubilierte.
Die Tante nahm sich den Katalog wieder vor. »Wo waren mir denn bei? Bei de Unterhosen.«
»Slips«, murmelte Hanni.
»Wollen mer doch mal kucken, wie dat bei de Männer heißt!« Die Tante blätterte, die Seiten flogen, flatterten, rissen ein, dann falteten sie sich vor uns auseinander: die Herren in Unterhosen. Mit entschlossenen Mienen, seitlich geballten Fäusten die einen, die Arme vor der bloßen Brust gekreuzt die anderen, sahen sie an uns vorbei in eine Zukunft, die anzupacken und zu bestehen sie, selbst derart spärlich bekleidet, keine Zweifel aufkommen ließen.
»Futter-Unterwäsche«, las die Tante vor. »Erprobte, dicht gewirkte, strapazierfähige Baumwolldecke mit wollig warmem Futter, reichlich im Schritt und gut verarbeitet. Innenseite mit dickem Henkelplüsch, tadellose Verarbeitung, äußerst strapazierfähig. Für hohe Ansprüche.«
»Äußerst strapazierfähig«, kicherte Hanni. »Wofür dat denn?«
»Für hohe Ansprüche!«, gluckste Maria. »Hörs de doch!«
Die Tante tat, als habe sie nichts gehört. »Ävver hier!« Sie schlug dem Mann auf dem Photo zwischen die Beine. »Herrenslip mit Deckverschluss! Und hier!«, wieder ein Schlag, »noch ne Slip! Doppelripp! Formbeständig. Mit Deckschlitz!«
Hanni lachte laut heraus; Maria prustete hinter vorgehaltener Hand.
»Un so wat für minge Schäng!«, krakeelte die Tante. »Ne Doppelrippslip met Deckschlitz! Wenn ich dem saje, dat sing Unterhos jitz slip heißt, mät dä sesch en de Botz! So. Un jetzt kucke mir mal bei die Korsetts. Hier! ›Wunderflock Elastik Schlüpfer.‹«
Die Frauen verstummten.
»›Leib- und Gesäßpartie sind vollkommen beflockt‹«, so die Tante gewichtig, »›die Beflockung hält Leib und Gesäß zurück und verbessert so die Figur erheblich bei größter Bequemlichkeit. ‹«
»Beflockung?«, foppte
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