Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufbruch - Roman

Aufbruch - Roman

Titel: Aufbruch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Hahn
Vom Netzwerk:
sicher ernst gemeint«, beharrte Bertram. »Der wollt dich hierode! Ernsthaft! Mit allem Drum und Dran.«
    »Aber doch nur, weil die andere tot war! Der war doch in Gedanken noch immer bei der.«
    »Ist sowieso egal.« Bertram gähnte und rutschte wieder unter die Decke. »Du wolltest ja schon vorher nichts mehr von ihm wissen. Brauchs de dich jetzt auch nicht aufzuregen. Somnia dulcia, corculum.«
    »Nacht«, knurrte ich. Von wegen: süße Träume, Herzchen. Ich lag noch lange wach. Wieso hatte Bertram nicht eingestimmt in meine Verdammung? Hatte er am Ende recht? War Godehard
wirklich ne ärme Kääl? Ein belogener Lügner? Einer, der sich selbst mehr belogen hatte als mich?
     
    Das Päckchen kam vierzehn Tage später mit der Post. Absender: Armin Gallus. Nie gehört.
    »Mach ald op! 36 ,« drängte die Mutter. »Bertram, hol mal de scharfe Scher von draußen. Dat is ja dat reinste Drahtseil.«
    Mit seinem Taschenmesser ratschte Bertram so energisch über die Verpackung, dass ich schon um den Inhalt fürchtete.
    »Da«, er brach die Schachtel auseinander, hielt sie mir hin. Drei in Seidenpapier eingewickelte Päckchen. Ich fühlte Hartes.
    »Nu mach schon!«, trieb mich die Mutter mit unverhohlener Neugier an; so wie damals, als ich das Necessaire, ein Geschenk zu meiner ersten heiligen Kommunion, vor aller Augen auspacken sollte.
    Kaum größer als eine Babyfaust, lag in dem knittrigen Papier ein dunkelgrüner Stein, darauf, gut zu erkennen, ein Buch und ein Schlüssel.
    »So wat Schönes.« Die Mutter reckte den Hals. Ergriff das zweite, etwas größere Päckchen. Auf dem rotbraunen Stein saß ein Löwenhaupt.
    »Nä!«, freute sich die Mutter. »Bertram kuck dir dat ens an!« Dann, mich beinah übermütig in die Rippen puffend: »Has de den Jodehaad wiederjetroffen?«
    Ich wusste nicht, was mich mehr verblüffte: die ungewohnte Heiterkeit der Mutter oder diese merkwürdige Sendung eines Armin Gallus.
    Ich schielte nach dem Bruder. Der strich angelegentlich das Papier glatt und kniffte es zusammen, einmal, zweimal, genau auf Kante.
    Der dritte Stein, länglich und von einem zarten Rosa mit weißer Äderung, war wie ein Lippenpaar geformt; »amo«, war in die Oberlippe geritzt, »amas«, antwortete die untere.

    »Nä«, entzückte sich die Mutter. »Wat is dat?«
    Ich lachte laut auf. Sah mich nach Bertram um. Der hatte schon das Weite gesucht. Ich schenkte der Mutter den Löwenstein und ließ sie in dem Glauben, er komme von Godehard. Neben den Hummelfiguren fand er einen Ehrenplatz hinterm Glas im Wohnzimmerschrank.
    »Na, Armin«, begrüßte ich den Bruder abends im Bett. »Wie hast du das denn fertiggekriegt? Hast dich doch hoffentlich nicht in Unkosten gestürzt?«
    »Was denkst du!«, gluckste Bertram. »Kunstunterricht. Speckstein. Kostet nicht viel. Und der Kratzer, also unser Kunstlehrer, hat mir die Reste so gegeben. Ist kinderleicht. Ganz weich der Stein. Kanns de mit dem Fingernagel rangehen. Oder einer Stricknadel.«
    »Du hast aber wirklich was los! Könntest ja ein richtiges Gewerbe draus machen«, sagte ich bewundernd. »Aber wie kommst du denn ausgerechnet auf Buch und Schlüssel und den Löwen?«
    »Hast du doch selbst erzählt, dass du dir in Latein diesen Namen zugelegt hast: Petra Leonis, Stein und Löwe. Und für Petra hab ich die Symbole von Petrus genommen. Das Buch und den Schlüssel.«
    »Mensch, Bertram«, seufzte ich. »Dir kann man aber auch nichts erzählen. Schlaf gut, Arminius verus. Amo.«
    »Amas, amat, sororcula honesta.«
    Unsere Lügensteine logen nicht.

    Mein phantastischer Finne hatte die Godehard-Scharte ausgewetzt. Wann ich sie denn mal wieder besuchen käme, fragte Monika. Ruhig auch über Nacht, zum Beispiel nach dem Theater. Die Schule besorgte für die Oberstufe den Bus nach Köln und verbilligte Karten.

    Seit dem Sommernachtstraum in Düsseldorf, als Sigismund mich der Maternus-Tochter wegen hatte links liegen lassen, war ich nicht mehr im Theater gewesen. In einer Oper noch nie.
    Es gab Lohengrin, und bis dahin war noch wochenlang Zeit. Also tat ich, was ich vor meiner ersten Fahrt ins Düsseldorfer Schauspielhaus auch getan hatte: Ich kaufte mir ein Reclam-Heft.
    Die Geschichte war klar auf den ersten Blick. Seit Kindertagen kannte ich derlei Rettungsaktionen aus meinen Märchenbüchern und hatte für diese Art der Hilfestellung noch nie viel übriggehabt. Elsa, die fürstliche Erbin, wird verdächtigt, ihren Bruder ermordet zu haben. Überraschend taucht ein

Weitere Kostenlose Bücher