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Auferstehung 1. Band

Auferstehung 1. Band

Titel: Auferstehung 1. Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo N. Tolstoi
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ging und klopfte so! Schnell warf er seinen nassen Mantel über die Schultern und rief: »Herein!«
    Sie war's, Katuscha; noch immer so wie sonst, aber noch hübscher und reizender, als früher. Ihre Augen schimmerten naiv, und sie trug wie sonst eine auffallend saubere, weiße Schürze. Jetzt brachte sie ihm von seinen Tanten eine wohlriechende Seife und zwei Handtücher.
    »Seien Sie willkommen, Dimitri Iwanowitsch!« sagte sie mit einer gewissen Verlegenheit, während sie heftig errötete.
    »Ich grüße dich! . . . ich grüße Sie!« – Er wußte nicht, ob er »Du« oder »Sie« sagen sollte; und fühlte, wie auch er rot wurde. »Es geht Ihnen gut?«
    »Gott sei Dank, ja! Ihre Tanten schicken Ihnen Ihre Lieblingsseife,« fuhr sie fort, legte die Seife auf den Tisch und breitete die Handtücher über die Stuhllehne.
    »Dimitri Iwanowitsch hat seine mitgebracht!« bemerkte Tichon in feierlichem Tone und zeigte dem jungen Mädchen das große Necessaire mit Silberbeschlägen, das Nechludoff auf dem Tisch geöffnet hatte und das eine Menge Fläschchen, Bürsten, Pulver, Parfüms und Toilettengegenstände enthielt.
    »Sagen Sie meinen Tanten, ich danke ihnen. Ach, wie freue ich mich, gekommen zu sein!« fügte Nechludoff hinzu, denn er fühlte, daß in seiner Seele plötzlich wieder alles hell und klar wie früher geworden war.
    Sie antwortete nicht, lächelte aber und verließ das Zimmer. Die beiden Tanten, die Nechludoff stets vergöttert, empfingen ihn diesmal noch liebevoller als gewöhnlich. Dimitri zog in den Krieg; er konnte verwundet und getötet werden! Das zerriß den beiden alten Damen das Herz.
    Nechludoff hatte zuerst nur einen Tag bleiben wollen; doch als er Katuscha wiedersah, beschloß er, auch noch den Ostersonntag bei ihr zu verleben, und telegraphierte seinem Kameraden Tschembock, den er nach Odessa bestellt hatte, er solle ihn von seinen Tanten abholen.
    Im ersten Augenblick, da er Katuscha wiedergesehen, waren die alten Empfindungen wieder in ihm erwacht. Wie früher sah er nicht ohne Rührung die weiße Schürze des jungen Mädchens; er sah mit Vergnügen ihr Lächeln und hörte ihre Stimme und das Geräusch ihrer Schritte; er blieb nicht gleichgiltig bei dem Blick ihrer schwarzen Augen, besonders, wenn sie lächelte; wie früher konnte er nicht ohne Verwirrung mit ansehen, wie sie in seiner Gegenwart errötete. Von neuem war er verliebt, doch nicht so wie früher, wo ihm seine Liebe ein Geheimnis geblieben, wo er sich selbst nicht zu gestehen gewagt, daß er verliebt war, und wo er überzeugt war, man könne nur einmal lieben; jetzt wußte er, daß er verliebt war, und wußte auch, worin diese Liebe bestand und was daraus entstehen konnte.
    Wie in einem jeden lebten auch in Nechludoff zwei Menschen, der moralische Mensch, der sein Wohl nur im Wohle der andern suchte, und der tierische Mensch, der nur sein eigenes Wohl suchte und das der ganzen Welt zu opfern bereit war. In dem Zustand selbstsüchtiger Thorheit, in dem er sich zu dieser Zeit befand, hatte der tierische Mensch in ihm die Oberhand gewonnen und den andern vollständig erstickt. Doch als er Katuscha wiedergesehen, und seine alten Gefühle für sie wieder in ihm erwacht waren, erhob der moralische Mensch das Haupt und forderte sein Recht, so daß sich in den nächsten zwei Tagen ein unaufhörlicher Kampf in ihm abspielte. Er wußte, daß es seine Pflicht war, abzureisen, daß es schlecht war, seinen Aufenthalt bei den Tanten zu verlängern und daß nichts Gutes dabei herauskommen konnte; doch er empfand so viel Glück und Vergnügen, daß er nicht mehr auf die Stimme des Gewissens hörte und blieb.
    Am Sonnabend abend vor Ostern segnete der Priester mit dem Diakon und dem Meßner, wie es üblich, die Brote; mit großer Mühe waren sie, wie sie erzählten, durch die infolge des Tauwetters entstandenen Sümpfe gekommen; der Weg von der Kirche bis zu dem Hause der alten Damen betrug drei Werst. Nechludoff wohnte der Ceremonie mit seinen Tanten und der ganzen Dienerschaft bei. Er betrachtete fortwährend Katuscha, die mit dem Weihkessel in der Hand bei der Thür stand. Nachdem er der Sitte gemäß mit dem Priester und seinenTanten drei Küsse getauscht, wollte er wieder in sein Zimmer gehen, als er auf dem Gange die Stimme der alten Wirtschafterin Matrena Pawlowna vernahm, die sich mit Katuscha zur Mitternachtsmesse begeben wollte, um dort der Nachtmesse und der Einsegnung der Brote beizuwohnen. »Ich will auch hin!« sagte sich

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