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Auferstehung 1. Band

Auferstehung 1. Band

Titel: Auferstehung 1. Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo N. Tolstoi
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bemühte sich, die Thränen zurückzuhalten, die ihr aus den Augen stürzten und entfloh in den Vorflur, um sich in Ruhe ausweinen zu können.
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    Drei Jahre vergingen, ohne daß Nechludoff Katuscha wiedersah, und als er sie nach diesen drei Jahren auf einem Urlaub wiedersah, den er bei seinen Tanten verlebte – er war nämlich zum Offizier in der Garde ernannt worden – da war er ein ganz anderer Mensch, als der, der einst mit dem jungen Mädchen dieses naive Liebesverhältnis unterhalten.
    Früher war er ein selbstloser, uneigennütziger Jüngling, der für das nach seiner Ansicht Gute jedes Opfer zu bringen bereit war; jetzt war er ein Egoist und ein Wüstling, der sich nur noch um sein eigenes Vergnügen kümmerte. Früher erschien ihm die Welt als ein Rätsel, das zu lösen er mit jugendlichem Feuer bemüht war; jetzt erschien ihm alles in der Welt klar und einfach, und alles schien sich den Bedingungen seines Lebens unterordnen zu müssen. Früher hielt er es für bedeutend und notwendig, mit der Natur und den Menschen, die vor ihm gedacht, gelebt und gefühlt, den Philosophen und Dichtern der Vergangenheit, übereinzustimmen; jetzt hielt er es für wichtig und notwendig, mit seinen Kameraden im Einverständnis zu leben und sich den gesellschaftlichen Gewohnheiten seiner Kreise anzupassen.
    Früher sah er in dem Weibe ein geheimnisvolles, reizendes Geschöpf; jetzt hatte das Weib, jedes Weib – bis auf seine Verwandten und die Frauen seiner Freunde – in seinen Augen eine sehr klare und deutliche Bedeutung, denn sie war ihm nur ein Instrument eines schon wohlbekannten Genusses. Früher brauchte er fast gar kein Geld und gab kaum den dritten Teil des ihm von seiner Mutter ausgesetzten Zuschusses aus; er konnte auf die väterliche Erbschaft verzichten, und sie den Bauern schenken; jetzt genügten ihm die 1500 Rubel nicht einmal, die ihm seine Mutter gab, und es war schon mehr als einmal zwischen ihm und ihr zu unangenehmen Auseinandersetzungen in Geldfragen gekommen.
    Diese große Umwandlung, die sich in ihm vollzogen, kam ganz einfach daher, daß er nicht mehr an sich selbst, sondern nur noch an die andern glaubte. Er hatte aberden Glauben an sich selbst aufgegeben, um nur noch den andern zu vertrauen, weil ihm das Leben mit dem Glauben an sich selbst zu schwer erschien; denn um im Vertrauen auf sich selbst zu leben, mußte er nicht an den Nutzen seiner eigenen selbstsüchtigen, nur für das Vergnügen sorgenden Person denken, sondern mußte fast immer im Gegenteil gegen die Interessen dieser Person handeln. Lebte er dagegen im Vertrauen auf die andern, so brauchte er gar keine eigenen Bestimmungen zu treffen, denn es war schon alles im voraus zu seinem Vorteile bestimmt. Außerdem setzte er sich, wenn er an sich glaubte, fortwährend der Mißbilligung der Menschen aus; vertraute er dagegen den andern, so durfte er gewiß sein, das Lob seiner Umgebung zu ernten.
    Als sich Nechludoff mit der Wahrheit, der Bestimmung des Menschen, der Armut und dem Reichtum beschäftigte, nannte seine ganze Umgebung diese Beschäftigung unvernünftig und lächerlich; seine Mutter, seine Tanten nannten ihn mit milder Ironie »unsern lieben Philosophen«; las er dagegen Romane, erzählte er pikante Anekdoten, sprach er von dem neuesten Lustspiel im französischen Theater, dann fand ihn jeder reizend. Wenn er, um seine Bedürfnisse einzuschränken, ein Jacket vom vorigen Jahre trug oder keinen Wein trank, so warf ihm jeder vor, er isoliere sich und wolle aus Eitelkeit originell erscheinen; gab er aber für seine Vergnügungen mehr Geld aus, als er hatte, jagte er und veranstaltete Zechgelage, so billigte jeder sein Verhalten; und hatte er es sich in den Kopf gesetzt, sein Zimmer ganz besonders luxuriös auszustatten, dann beeilte sich jeder, ihm wertvolle Gegenstände zu schenken. Als Nechludoff das kleine, von seinem Vater ererbte Gut den Bauern geschenkt, weil er es für ungerecht hielt, Land zu besitzen, hatte sein Entschluß die ganze Familie erschreckt und ihm von seiten seiner Umgebung endlosen Spott und Vorwürfe eingebracht. Man hatte ihm fortwährend erzählt, seine Schenkung habe die Bauern arm, nicht aber reich gemacht, sie hätten im Dorfe drei Schenken errichtet und die Arbeit völlig im Stich gelassen. Als Nechludoff dagegen in die kaiserliche Garde eintrat, und im Verkehr mit der vornehmsten Gesellschaft so viel Geld auszugeben anfing, daß seine Mutter auf ihr Kapital hatte Vorschuß nehmen müssen, da hatte

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