Auferstehung 1. Band
kleines Mädchen von sieben Jahren, die man, da man nicht wußte, wem man sie anvertrauen sollte,bei der Mutter im Gefängnis belassen hatte. Das kleine Mädchen stand bei ihrer Mutter und lauschte eifrig den gemeinen Reden, die aus dem Fenster gerufen wurden. Sie war zart und fein und hatte reizende blaue Augen und zwei fast weiße Haarflechten, die ihr auf den Rücken fielen.
Die zwölfte Gefangene war die Tochter eines Kirchendieners, die ihr neugeborenes Kind in einem Brunnen ertränkt hatte. Sie war ein großes, starkes blondes Mädchen mit wirren Haaren und starrblickenden, runden Augen. Sie ging fortwährend in dem freien Raum zwischen den beiden Betten auf und ab, sah niemand, sprach mit niemand, und stieß nur jedesmal, wenn sie an die Wand kam und sich umdrehen mußte, ein unartikuliertes Knurren aus.
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Als die Thür sich öffnete und die Maslow erschien, unterbrach die Kirchendienerstochter ihren Spaziergang einen Augenblick, runzelte die Stirn und betrachtete die »Neue«; dann ging sie wieder, ohne etwas zu sagen, mit ihrem festen Schritte auf und ab. Die Korablewa stach ihre Nadel in den Sack, an dem sie nähte, betrachtete die Maslow durch ihre Brille und rief mit fragender Miene im Baßtone:
»Da ist sie ja! Sie ist wieder da! Und ich glaubte, man würde sie freisprechen!«
Sie nahm ihre Brille ab und legte sie mit ihrer Arbeit auf ihr Bett.
»Und ich sagte eben noch zu der kleinen Tante, man würde sie vielleicht gleich freilassen! So was kommt doch vor! Manchmal geben sie einem sogar Geld!« – fuhr die Eisenbahnwärterin mit singender Stimme fort.
»Sie haben dich also verurteilt?« fragte Fenitschka, und richtete ihre klaren, kindlichen Augen schüchtern auf die Maslow. Dabei verdüsterte sich ihr jugendlich heiteres Gesicht, als wenn sie weinen wollte.
Die Maslow gab keine Antwort. Sie ging auf ihr Bett zu, das neben dem der Korablewa stand und setzte sich.
»Das hätte ich nie erwartet!« sagte Fenitschka und setzte sich neben sie.
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