Auferstehung 2. Band (German Edition)
Ansicht in diesem Punkte nicht teilen kann. Aber erklären Sie das alles dem Gerichtshof; er wird Ihre Gründe würdigen, sie für annehmbar oder nicht annehmbar erklären und Ihnen im letzteren Falle eine Geldstrafe auferlegen. Wenden Sie sich an das Gericht!«
»Wie ich Ihnen bereits gesagt, bin ich entschlossen, nicht mehr dorthin zurückzukehren,« erklärte Nechludoff trocken.
»Ich empfehle mich Ihnen,« sagte der Beamte, der seinen seltsamen Besucher augenscheinlich loszuwerden suchte.
»Wen haben Sie denn da empfangen?« fragte den Staatsanwalt einige Augenblicke später ein Richter, der gerade, als Nechludoff hinausging, in das Zimmer trat.
»Nechludoff war das! Sie wissen doch, der sich schon früher im Zemstpo von Krasnoversk durch allerlei seltsame Vorschläge bemerkbar gemacht hat! Denken Sie sich, er hat als Geschworener auf der Anklagebank eine öffentliche Dirne gesehen, die er, wie er behauptet, verführt hat, und will sich jetzt mit ihr verheiraten!«
»Ist es möglich?«
»Er hat es mir eben gesagt! Und wenn Sie wüßten, mit welcher unglaublichen Aufgeregtheit!«
»Man möchte wahrhaftig annehmen, bei den heutigen jungen Leuten sei es im Oberstübchen nicht richtig!«
»Aber er sieht ja gar nicht mehr so jung aus! ... Hören Sie mal, Ihr berühmter Iwanschenkow hat Sachen erzählt! Der Kerl hat geschworen, uns umzubringen! Er spricht und spricht bis ins Unendliche!«
»Man sollte ihm einfach das Wort entziehen! Das wird ja in diesem Grade die wahre Obstruktion!«
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Als Nechludoff vom Staatsanwalt kam, begab er sich geradeswegs nach dem Untersuchungsgefängnis. Doch dort fand er die Maslow nicht. Infolge einer vor vier Monaten erfolgten politischen Bewegung hatte man die meisten der in diesem Gebäude eingesperrten Gefangenen nach andern Gefängnissen überführt, um hier an ihrer Stelle eine Reihe Studenten, Studentinnen, Commis und Handwerker unterzubringen. Die Maslow war in das alte Gouvernementsgefängnis gebracht worden, und Nechludoff ließ sich sofort dahin fahren.
Doch das alte Gefängnis lag am andern Ende der Stadt, so daß Nechludoff erst bei Anbruch der Dunkelheit hinkam. Vor der Thür hielt ihn, gerade als er eintreten wollte, eine Schildwache auf. Die Schildwache klingelte, die Thür öffnete sich, ein Aufseher kam Nechludoff entgegen, las das Papier, das dieser ihm reichte, sehr langsam von einem Ende zum andern und erklärte schließlich, ohne Erlaubnis des Direktors könne er nichts thun.
Nechludoff erhielt wenigstens die Erlaubnis, sich zum Direktor zu begeben. Auf der Treppe, die in die Wohnung dieses Beamten führte, hörte er die dumpfen Töne eines Musikstückes, das auf einem Piano gespielt wurde, und als ihm eine Magd mit brummiger Miene, mit einer Binde über dem einen Auge, die Thür der Wohnung öffnete, gellten ihm die Töne des Piano, die aus einem Nebenzimmer kamen, heftig in die Ohren. Es war die schwierigste Rhapsodie von Liszt, die sehr gut gespielt wurde, doch seltsamerweise kam die Spielerin immer nur bis zu einer bestimmten Stelle. An dieser Stelle brach sie ab und fing wieder von vorne an, um von neuem nur bis zu derselben Stelle zu spielen.
Nechludoff fragte die einäugige Magd, ob der Direktor zu Hause wäre.
»Nein, er ist nicht da!«
»Und wann wird er wiederkommen?«
»Ich werde nachfragen!«
Mit diesen Worten trat sie in die Wohnung und ließ Nechludoff im Vorzimmer stehen.
Einen Augenblick später hörte die »Rhapsodie« schon vor der bestimmten Stelle auf, und Nechludoff hörte im Nebenzimmer eine Frauenstimme sagen:
»Sagen Sie, Papa wäre ausgegangen und käme zum Essen nicht nach Hause! Es wäre unmöglich, ihn heute zu sprechen! Man soll ein andermal wiederkommen!«
Von neuem begann die Rhapsodie wieder, wurde aber nach einigen Takten unterbrochen, und Nechludoff hörte, wie ein Stuhl zurückgeschoben wurde. Die Pianistin hatte sich offenbar entschlossen, den unberufenen Störenfried, der sich sie zu unterbrechen erlaubte, selbst zu verabschieden.
»Papa ist ausgegangen,« erklärte sie in ärgerlichem Tone und öffnete die auf das Vorzimmer führende Thür. Es war ein blasses junges Mädchen mit wirren gelben Haaren und breiten, blauen Ringen unter den Augen.
Als sie einen elegant gekleideten jungen Mann erblickte, änderte sie den Ton.
»Treten Sie gefälligst ein! ... Sie wünschen etwas von meinem Vater?«
»Ich möchte eine Frau sprechen, die hier untergebracht ist!«
»In der Abteilung für politische
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