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Auferstehung 2. Band (German Edition)

Auferstehung 2. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 2. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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angeblickt und wie alle Männer sie auf dem Wege durch die Stadt mit lüsternen Augen angeschaut. Sie erinnerte sich, wie ihr ihre Freundin Klara, die sie im Gefängnis besucht, erzählt, ein Student, ihr »Lieblingskunde«, wäre untröstlich, daß sie nicht mehr bei Frau Kitajeff wäre. Sie dachte an alle Männer, die sie geliebt hatte, an alle, nur nicht an Nechludoff.
    An ihre Kindheit und ihre Jugend, vor allem aber an ihre Liebe zu Nechludoff dachte sie niemals. Das waren für sie zu peinliche Erinnerungen, die sie irgendwo in den tiefsten Grund ihres Herzens versenkt hatte, um nicht mehr daran zu rühren. Selbst im Traume sah sie Nechludoff niemals wieder. Wenn sie ihn im Schwurgerichtssaal nicht erkannt, so kam das nicht allein daher, daß das Alter ihn verändert hatte, daß er einen Vollbart trug, sein Schnurrbart lang gewachsen und seine Haare spärlicher geworden waren; trotz alledem hätte sie ihn erkannt, hätte sie sich nicht angewöhnt, niemals an ihn zu denken. Diese Gewohnheit hatte in der schrecklichen, düsteren Nacht begonnen, da Nechludoff, als er aus dem Kriege zurückkehrte, am Hause seiner Tanten vorübergekommen war, ohne dasselbe zu betreten.
    Katuscha wußte damals schon, daß sie Mutter wurde, doch so lange sie gehofft hatte, Nechludoff wiederzusehen, so lange hatte ihr der Gedanke an das Kind nicht nur keine Sorgen bereitet, sondern sie war sogar manchmal ganz fröhlich und gerührt darüber.
    Die beiden alten Tanten, welche wußten, Nechludoff würde an ihrem Hause vorbeikommen, hatten ihn gebeten, bei ihnen abzusteigen, doch er hatte telegraphisch geantwortet, er könne sich nicht aufhalten, sondern müsse so schnell wie möglich in St. Petersburg sein. Sofort hatte Katuscha den Entschluß gefaßt, nach dem Bahnhof zu laufen, um ihn bei der Durchfahrt wiederzusehen.
    Der Zug fuhr bei Nacht, um zwei Uhr, in den Bahnhof. Katuscha hatte, nachdem sie ihre Herrinnen zu Bett gebracht, große Stiefel angezogen, ein Tuch um den Kopf genommen und war in Begleitung der Tochter der Köchin, eines Mädchens von zehn Jahren, fortgegangen.
    Die Nacht war schwarz und kalt. Bald begann der Regen in dichten Tropfen zu fallen, bald hörte er wieder auf. Auf den Feldern konnte man den Weg noch unterscheiden, doch im Gehölz herrschte tiefe Finsternis, so daß Katuscha, obwohl sie den Weg ganz genau kannte, sich fast verirrt hätte; infolgedessen kam sie erst spät zu der kleinen Station, als der Zug schon da war.
    Sie stürzte auf den Perron und erkannte Nechludoff, der am Fenster eines Waggons erster Klasse saß, sofort. Der Waggon war hell erleuchtet. Auf den Sammetbänken saßen zwei Offiziere und spielten Karten, während er ihnen lächelnd zusah.
    Sobald sie ihn bemerkte, wollte das junge Mädchen auf die Plattform des Wagens klettern und ihn anrufen; doch in demselben Augenblick pfiff die Maschine, und die Waggons setzten sich langsam in Bewegung. Der Zugführer hatte Katuscha heruntergejagt, bevor er selbst wieder in den Waggon stieg, und so sah sich das junge Mädchen wieder auf dem Perron, wahrend der Waggon erster Klasse schon an ihr vorübergefahren war. Sie war ihm nachgelaufen, um ihn einzuholen; doch der Zug fuhr schneller; sie sah die Wagen zweiter Klasse, dann die dritter Klasse, und endlich den letzten Wagen mit seiner roten Laterne vorübergleiten. Am Ende des Perrons angelangt, war sie den Schienenweg weitergelaufen. Der Wind, der heftig blies, hatte ihr das Tuch vom Kopfe gerissen, und sie lief mit wirren Haaren, während sie bei jedem Schritte in die Schmutzlachen einsank.
    »Tantchen Katuscha,« rief die Kleine, die hinter ihr dreinlief, »dein Tuch ist heruntergefallen!«
    Von diesem Schrei erwachend, war Katuscha endlich stehengeblieben und hatte plötzlich eine unendliche Leere empfunden.
    »Da sitzt er in diesem warmen Waggon in einem Sammetsessel und lächelt und amüsiert sich,« sagte sie sich, »und ich stehe hier allein in Wind und Wetter, in der dunklen Nacht!« Sie hatte sich auf die Erde gesetzt und war in so lautes Schluchzen ausgebrochen, daß das kleine Mädchen vor Schreck nicht wußte, was sie ihr zum Troste sagen sollte.
    »Tantchen,« bat die Kleine, »wir wollen gehen, komm' schnell nach Hause!«
    Doch Katuscha blieb in Sturm und Regen sitzen. »Ein Zug wird vorüberfahren; ich werde mich auf die Schienen legen, und alles wird vorüber sein!« Schon wollte sie diese Absicht ausführen, als das Kind, das sie unterm Herzen trug, zu zittern begann, und auf der

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