Auferstehung 4. Band (German Edition)
zu.
»Ich habe einen Fremden hergeführt,« versetzte der Bursche. »Aber was trägst du denn da?«
»Weißen Käse! Wir sollen morgen früh wieder herkommen!«
»Na, aber über Nacht bleibt ihr doch nicht?« fragte der Bursche unter lautem Lachen.
»Hol' dich der Teufel, du frecher Schreihals!« versetzte sie ebenfalls lachend. »Komm' lieber mit uns ins Dorf mit!«
Der Bursche machte noch eine Bemerkung, über die nicht allein die Frauen, sondern auch die Schildwache in lautes Gelächter ausbrachen. Dann wandte er sich zu Nechludoff um und fragte:
»Finden Sie denn auch den Weg? Werden Sie sich auch nicht verirren?«
»Nein, nein; ich werde mich schon zurechtfinden.«
»Na, also, wenn Sie an der Kirche vorbei sind, dann ist es von dem zweistöckigen Hause auf der rechten Seite das zweite. Da haben Sie auch meinen Spazierstock,« meinte er und gab Nechludoff den dicken, etwa mannshohen Knüppel in die Hand, den er mitgebracht hatte, um dann gleichzeitig mit den Weibern zu verschwinden. Mit seinen langen Stiefeln tappte er durch den Kot, und man hörte noch hin und wieder seine Stimme und die der Weiber, als die Thür von neuem knarrte und ein Unteroffizier heraustrat, der Nechludoff aufforderte, sich zum Offizier zu begeben.
Fünftes Kapitel
Das Rastgebäude lag ebenso wie alle Gebäude, in denen auf halbe und ganze Tage gerastet wurde, an der großen sibirischen Landstraße, in einem Hof, der von spitzen Palisaden umstellt war. Es befanden sich hinter demselben die einstöckigen Häuser. In dem einen, und zwar dem größten, das vergitterte Fenster hatte, brachte man die schweren Verbrecher unter, in dem andern hielt sich das Wachkommando auf, während das dritte den Offizieren als Aufenthaltsort und als Kanzlei diente.
Sämtliche drei Häuser waren jetzt mit Lichtern beleuchtet, die wie stets, so auch hier, in den hellglänzenden Räumen den Anschein von Genuß und Behaglichkeit hervorriefen. Laternen brannten an den Eingängen, während der Hof von noch fünf andern erhellt wurde.
Nechludoff wurde von dem Unteroffizier, der ihn über ein schmales Brett führte, zu der Treppe des kleinsten der drei Häuser geleitet. Dann ließ er ihn drei Stufen hinaufsteigen und öffnete ein kleines, von einer qualmigen Lampe beleuchtetes Vorzimmer, das mit Rauch angefüllt war, und in das er ihn vorangehen ließ. Am Ofen saß ein Soldat in grobem Hemd und einer Halsbinde und schwarzen Hosen, der einen Stiefel in der Hand hielt und mit dem zusammengedrückten Schaft desselben, den er wie einen Blasebalg handhabte, das Feuer in einem Samowar anblies.
Als dieser Soldat Nechludoff bemerkte, wandte er sich von dem Samowar fort, half Nechludoff seinen schweren Mantel abnehmen und ging damit in das Nebenzimmer.
»Er ist da, Ew. Gnaden!«
»Na, dann bring' ihn doch 'rein,« versetzte eine brummige Stimme.
»Treten Sie gefälligst ein,« sagte der Soldat und nahm gleich wieder seine vorige Thätigkeit am Samowar auf.
In dem zweiten Zimmer, das sein Licht von einer Hängelampe erhielt, saß ein Offizier mit großem, blondem Schnurrbart und stark aufgedunsenem Gesicht; er trug eine Jacke, die seine breite Brust und seine Schultern stark hervortreten ließ; vor ihm stand ein mit Speiseüberresten und zwei Weinflaschen bedeckter Tisch. Ein scharfer Tabaksrauch durchzog das warme Zimmer, und außerdem verspürte man noch einen andern übeln und durchdringenden Geruch.
Als der Offizier Nechludoff bemerkte, erhob er sich und musterte den Nähertretenden mit höhnischen und nichtachtenden Blicken.
»Was wollen Sie?« fragte er, und rief dann, ohne auch eine Antwort abzuwarten, zur Thür: »Bernoff, bring' den Samowar! Ist der Thee bald fertig?«
»Ja, gleich!«
»Warte! Ich werde dir dein »Ja, gleich!« anstreichen, daß du dran denken sollst!« schrie der Offizier mit zornfunkelnden Augen.
»Ich bring' ihn ja schon,« rief der Soldat und trat mit dem Samowar herein.
Nechludoff wartete, bis der Soldat den Samowar auf den Tisch gestellt hatte, und sah dabei den Offizier an, der den Soldaten mit seinen kleinen, boshaft blinzelnden Augen betrachtete, als wenn er etwas gegen ihn im Schilde führte und nur auf den geeigneten Moment wartete, um einen Streich gegen ihn zu führen.
Als der Samowar auf dem Tische stand, bereitete der Offizier Thee, dann holte er aus einem Reiseköfferchen eine viereckige Flasche Cognac und Albert-Cakes hervor, stellte alles auf die Tischdecke und fragte, sich wieder nach Nechludoff
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