Auferstehung
Weise aus dem Leben geschieden waren. Es war
brutal.
»Sie starb auf dem Weg ins
Krankenhaus. Meine Exfrau hat mir die Schuld daran gegeben. Und ich konnte ihr
nicht widersprechen. Also bin ich hier herunter gezogen.«
»Tut mir leid«, sagte Frankie.
»Muss es nicht. So schlimm ist es
gar nicht. Du wärst überrascht, was für Typen man unter der Erde über den Weg
läuft Börsenmaklern, Anwälten, Medizinstudiumsabbrechern
Geisteswissenschaftlern. Die Menschen schlüpfen unter, wo sie können, und es
gibt schlimmere Orte, um sein Nachtlager aufzuschlagen, glaub mir.
Überraschenderweise läuft nicht jeder vor irgendwas davon.«
»Jetzt schon.«
»Ja«, pflichtete er ihr bei. »Da
hast du wohl Recht. Aber nicht nur dort oben. Sie sind auch hier unten. Zwar noch nicht viele
von der menschlichen Sorte, aber dafür sind die Ratten ziemlich schlimm.«
Frankie schauderte und erinnerte
sich unwillkürlich an den Zoo.
»Es wird auch hier, unten
schlimmer werden«, fuhr er fort. »Tatsächlich war ich grade auf dem Weg nach
draußen, als sich unsere Wege gekreuzt haben.« Er deutete auf seinen Rucksack
und seine Ausrüstung. »Ich wollte den Tunnels runter zum Hafen folgen und mir
dann irgendwo ein Boot nehmen.«
»Wohin würdest du denn fahren?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Einfach nur weg, schätze ich. Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Ich muss
erst rausfinden, ob das ein örtlich begrenztes oder weltweites Phänomen ist.
Die logische Wahl wäre eine Insel, aber selbst dort
gibt es Tiere und Vögel, also wäre
die Sicherheit auch nur relativ. Ich habe sogar mit dem Gedanken gespielt,
einfach nur fernab vom Land umherzutreiben. Bloß bin ich nicht einmal sicher,
ob das sicher wäre. Immerhin gilt es Dinge wie Haie zu berücksichtigen. Ich
könnte mir vorstellen, dass ein Schwarm Zombiehaie oder ein untoter Killerwal
kurzen Prozess mit einem Boot machen würden.«
»Es ist hoffnungslos«, seufzte
sie. »Früher oder später werden sie uns alle kriegen, und wir werden wie sie
herumlaufen. Du hättest mich sterben lassen und mir den Schädel einschlagen
sollen, damit ich nicht zurückgekommen wäre.«
Troll schüttelte den Kopf. »Du
hast dich selbst gerettet, Frankie. Ich habe nur über dich gewacht. Die
Anerkennung und der Triumph gehören dir — dir ganz allein. Irgendwo in dir hast
du die Kraft gefunden, um zu kämpfen - und zu überleben. Du hast einen starken
Willen, und genau den wirst du dort draußen brauchen.«
Darüber dachte Frankie nach. Dann
knurrte ihr Magen, und sie grinste verlegen.
»Ich glaube, du könntest etwas zu
essen vertragen. Aber vielleicht möchtest du dich zuerst waschen.« Er ging zu
ein paar Metallregalen in der Ecke und durchforstete sie. »Ich weiß ja nicht,
wie gut dir die hier passt«, meinte er und hielt die Wartungsuniform eines
Stadtarbeiters hoch, »aber sie ist bestimmt besser als das, was du jetzt
trägst. Wahrscheinlich riecht sie auch angenehmer.«
Frankie lachte und nahm die
Kleider dankbar entgegen. Er gab ihr außerdem einen sauberen Lappen und eine
Waschschüssel mit Wasser. Dann holte er wie ein Magier, der einen besonders
raffinierten Trick vorführt, ein Stück Seife und eine kleine Flasche Shampoo
hervor.
Frankie zog sich aus und begann,
sich abzuschrubben, während er ihr den Rücken zuwandte und eine Mahlzeit
zubereitete. Die Seifenlauge rann über blaue Flecken und Blutergüsse, über
frische Wundmale und die Geister von Schüs sen in der
Vergangenheit.
Nie wieder. Natürlich
hatte sie sich das schon früher geschworen, aber diesmal war .es etwas in ihr
absolut ernst damit. Nie wieder.
Troll drehte sich mit einem Pappteller
zu ihr um, auf dem sich Granola-Müsliriegel, Rauchfleisch und Apfel türmten die
erst an wenigen Stellen etwas braun geworden waren. Sie hörte quer durch den
Raum, wie er die Luft einsog, als er sie nackt im flackernden Kerzenlicht
stehen sah.
Sie leckte sich über die Lippen.
»Du hast dich um mich gekümmert. Möchtest du, dass ich mich auch um dich
kümmere?«
»Nein«, antwortete er mit vor
unterdrückten Gefühlen belegter Stimme. »Ich fühle mich geschmeichelt, aber das
ist nicht nötig. Ich könnte mir denken, dass du in der Vergangenheit eine Menge
Gefallen auf diese Weise zurückgezahlt hast, aber damit ist es vorbei. Vergiss
nicht, du bist jetzt ein neuer Mensch.«
Sie lächelte und empfand größere
Freude, als sie mit Worten auszudrücken vermocht hätte.
»Du bist etwas ganz Besonderes,
Mr. Troll.«
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