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Aufgeflogen - Roman

Aufgeflogen - Roman

Titel: Aufgeflogen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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neu.
    Was war passiert, dass sie sich von mir auf einmal bedroht fühlte? Dass sie Berührungen vermied?
    In diesem Moment, als sie in meinen Armen scheinbar um ihr Leben kämpfte, kam mir für den Bruchteil einer Sekunde der Gedanke, dass etwas Schlimmes passiert war, etwas sehr Schlimmes. Aber das hätte sie mir erzählt, oder?
     
    Ich erschrak über mich selbst, weil ich sie festhielt, fast gewaltsam. Ich ließ sie los, sie lief weg.
    In dieser Nacht wurde Kröger ermordet.
    Sie rief mich an.
    Sie vertraute mir noch.
    Sie hatte nur mich.
    Und ich wusste, ich würde alles für sie tun.

15.   Kapitel
    »Hast du es gewusst?«
    Christoph sieht Eugenia wütend an, herausfordernd, er kann sich nur mit Mühe beherrschen. Sie weicht seinem Blick aus.
    »Du hast es gewusst. Seit wann?«
    »Sie hat es mir erst vor ein paar Tagen erzählt«, antwortet Eugenia leise.
    »Und du hattest vorher keine Ahnung? Hast nicht bemerkt, wie sie sich verändert hat?«
    Er wird lauter, unverschämter   – fühlt sich im Recht.
    »Hast du es denn bemerkt?«
    Er übergeht die Frage. Denn das ist sein wunder Punkt. Dass er sehr wohl gespürt hat, wie sie sich zurückzog, dass ihn das auch gekränkt hat, dass er aber nicht genug nachgefragt hat, es vielleicht auch nicht so genau wissen wollte. Alles sollte unkompliziert und schön bleiben oder wenigstens wieder werden, wenn es schon zwischendurch nicht so war.
    »Du wolltest es nicht sehen«, wirft Christoph ihr vor. »Sonst hättest du etwas unternehmen müssen. Eine neue Wohnung suchen, ihn zur Rechenschaft ziehen   …«
    Es ist der Vorwurf, den er sich selbst macht. Aber es fühlt sich so unerträglich an, nichts bemerkt, nichts getan zu haben. Es tut so weh, dass sie nicht mit ihm geredet hat. Es ist viel leichter, Eugenia zu beschuldigen.
     
    Er hat mit vielem gerechnet. Dass sie weint, schreit, wegläuft, verzweifelt. Aber Eugenia holt aus und gibt ihm eine Ohrfeige. Er zuckt zusammen, fasst sich an die Wange. Unendliches Erstaunen, dass diese kleine, zierliche Frau so viel Kraft besitzt, so viel Wut in sich hat.
    Er erinnert sich daran, dass auch Isabel ihm einmal eine geklebt hat. Das war der Auftakt zu ihrer Beziehung. Jetzt ist sie kaputt. Er beginnt zu weinen. Tut sich schrecklich leid.
    Doch die sonst so ruhige und sanfte Eugenia tröstet ihn nicht. Ihre Wut ist noch längst nicht verraucht.
    »Wie naiv bist du, Christoph? Wie dumm? Ich kann einen deutschen Mann nicht anzeigen, wenn er meine Tochter vergewaltigt! Ich lebe hier illegal. Es gibt keine Gerechtigkeit für Menschen wie uns.«
    Christoph will etwas erwidern, aber er kommt nicht zu Wort.
    »Auch wenn du manchmal bei uns warst: Du hast keine Ahnung von unserem Leben. Wie es sich anfühlt, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Die erste hässliche Wohnung, die zweite, die dritte. Die erste Arbeitsstelle,wo du dein Geld nicht bekommst, die zweite, die dritte. Die erste Freundin, die abgeschoben wird, die zweite, die dritte. Der erste Mann, der dich anfasst, der zweite, der dritte   … Du sitzt in einer schönen Wohnung mit deinen reichen Eltern und manchmal siehst du uns dabei zu, wie wir uns abstrampeln.«
    Wieder versucht er einzuhaken, sie winkt ab.
    »Ja, du hast uns geholfen, ich weiß. Danke. Und damit hast du alles nur noch schlimmer gemacht. Hättest du doch Isabels Vater nie gefunden!«
    »Wird er euch helfen?«
    »Er möchte mit seinem Anwalt reden. Aber er hat noch nicht angerufen.«
    Christoph schluckt. Er hatte sich mehr von Lehnert alias Bruckner erwartet. Aber Menschenkenntnis scheint nicht seine Stärke zu sein.
    »Du reißt alte Wunden auf«, sagt Eugenia leise. »Und es kommen neue hinzu. Hättest du nicht diesen Mann angeschleppt, Isabel säße jetzt hier bei uns.«
     
    Christophs Handy klingelt. Er sieht erwartungsvoll hin, auch Eugenia schreckt hoch. Doch es ist das falsche. Er schüttelt den Kopf und drückt den Anruf weg.
    »Meine Mutter.«
    »Sprich mit ihr, sie macht sich bestimmt Sorgen.«
    »Später.«
     
    Doch sie haben den Faden verloren. Die Luft ist raus aus ihrem Streit.
    Alles, was Eugenia jetzt sagt, könnte auch von ihm stammen.
    »Ich mache mir solche Vorwürfe. Ich hätte es merken müssen. Ich hätte ihr helfen müssen. Aber ich wollte es nicht glauben, nicht wahrhaben, keine Sekunde habe ich gedacht, dass er so weit geht. Dabei wusste ich doch, wie gefährlich er war.«
    Christoph nickt bei jedem Satz: »Ich wünschte, ich hätte ihn umgebracht.«
    Jetzt nickt Eugenia.
    Einen

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