Aufgeflogen - Roman
wäre, wenn …
Christophs Vater kämpft, auch um seinen guten Ruf. Natürlich hatte er keine Ahnung, dass die Freundin seines Sohnes und deren Mutter ohne Papiere hier lebten. Das sagt er gegenüber der Polizei.
Du hast es zumindest geahnt, denkt Christoph. Du wolltest es nicht genauer wissen.
Er möchte seinem Vater Vorwürfe wegen seiner Feigheit machen. Aber ihm ist klar, dass sein Vater klug handelt. Er kann das nicht. Er will auch nicht klug sein.
»Es ist scheiße, wie Illegale hier behandelt werden.«
Der Vernehmungsbeamte zieht die Augenbrauen hoch.
»Was würdest du vorschlagen?«
»Legalisieren, ist doch klar.«
»Weißt du, wie viele Menschen in dieses Land kommen und bleiben, obwohl sie kein Aufenthaltsrecht haben?«
»Haben wir denn das Recht, auf ihre Kosten zu leben und sie auszubeuten? Da sehen Sie einfach zu!«
»Sie hätten nicht kommen müssen, sie brauchen nicht zu bleiben.«
»Da machen Sie es sich aber verdammt einfach.«
Das war ein entscheidender Fehler und er sieht es seinem Vater an. Für Schwache einstehen, das geht gerade noch. Aber einen Beamten dumm anreden, das ist gar nicht gut.
»Bist du total bekloppt?«, zischt sein Vater, als er glaubt, die Beamten seien mit Telefon und Kaffeemaschine genug abgelenkt.
»Aber ich habe doch recht!«
»Erstens bin ich mir da nicht so sicher und zweitens sind recht haben und recht bekommen …«
»Ja ja ja, zwei Paar Stiefel«, führt Christoph den Satz genervt zu Ende.
Sein Vater mustert ihn nachdenklich.
»So hilfst du Isabel auf keinen Fall.«
»Aber du weißt bestimmt, wie’s geht!«
Er flüchtet sich in Sarkasmus, er will seinem Vater nicht zeigen, wie verzweifelt er ist.
Der eine Beamte telefoniert weiter, der andere ist nicht im Raum.
»Du solltest mit der Polizei zusammenarbeiten.«
»Isabel verraten – niemals!«
»Wenn sie, wie du behauptest, legal hierbleiben kann, dann hat sie doch nichts zu befürchten. Sag einfach, wo sie ist.«
»Erstens weiß ich es nicht und zweitens wird sie wegen Kröger gesucht. Und solange die Polizei sie verdächtigt …«
»Denk doch mal nach. Wenn sie mit dem Tod Krögers nichts zu tun hat und der Mörder noch frei herumläuft – vielleicht ist sie in Gefahr!«
Einen Moment erschrickt er. Ist Isabel in Gefahr? Nein, sie weiß sich zu helfen. Gefährlich für sie sind die, die sich als Ordnungshüter ausgeben. Niemand sonst.
»Was ist, wenn Isabel den Mörder kennt?«, bohrt sein Vater nach. »Vielleicht war er in dunkle Geschäfte verwickelt und hat sie da mit reingezogen …«
Christoph sieht ihn an. »Du denkst wirklich, sie ist kriminell, oder?«
»Sie hat gelernt, ums Überleben zu kämpfen. Da braucht man manchmal harte Bandagen.«
»Woher willst du das wissen?«, fragt Christoph und denkt an Eugenia, die ihm seine eigene Ahnungslosigkeit und Naivität um die Ohren gehauen hat.
Eugenia … er hat sie ganz vergessen in den letzten Stunden. Sie sitzt wohl immer noch in der Waldhütte, hört nichts von ihm und nichts von Isabel und ist völlig am Ende.
Es muss sich entsetzlich anfühlen, wenn man denkt, dass man alles falsch gemacht hat, dass das harte Leben der letzten Jahre völlig umsonst war, weil es eine einfachere Lösung gegeben hätte.
Was tut sie jetzt wohl? Hoffentlich ist Bruckner zu ihr gefahren, hoffentlich kümmert er sich um sie.
Wenn er Isabel und Eugenia helfen möchte, dann muss er hier raus. Er hat Isabel noch nicht gesagt, dass es für sie eine Chance gibt, in Deutschland zu leben, wenn sie die Hilfe ihres Vaters annimmt. Er ist nicht mehr dazu gekommen. Wohin mag sie sich jetzt geflüchtet haben? Wo ist sie noch sicher? Wer ist der Mörder von Kröger? Alles wäre gut, wenn die Polizei ihn endlich fassen würde.
Er will raus. Isabel suchen, finden, beschützen …
Er kann hier nur raus, wenn er die Beamten davon überzeugt, dass er mit Krögers Tod nichts zu tun hat. Aber wen werden sie dann verdächtigen? Isabel, ganz klar, denn ihr Motiv ist genauso stark wie seins. Er möchte hier weg, um ihr zu helfen. Dazu muss er sich entlasten und damit belastet er Isabel. Ein Teufelskreis.
Wieder schießt ihm der Gedanke durch den Kopf, dass sie es gewesen sein könnte. Isabel hatte ein Motiv und die Gelegenheit. Kein Mord, ein Unfall. Gerangel auf der Treppe. Sie wehrt sich. Genau, es war Notwehr.
Er wischt den Gedanken wieder weg. Nein, sie hat kein Menschenleben auf dem Gewissen. Das hätte sie ihm doch erzählt. Hätte
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