Aufgeflogen - Roman
sitzt tief genug in der Scheiße! Hör verdammt noch mal auf, den Helden zu spielen. Du hast alles nur noch schlimmer gemacht!«
Christoph zuckt zusammen. Nie hat er seinen Vater so laut erlebt. Mom offenbar auch nicht. Sie starrt ihren Mann fassungslos an.
»Es ist keine Schande, anderen Menschen helfen zu wollen«, sagt sie.
»Aber es ist ein Fehler, wenn man es so dilettantisch macht wie dein Sohn.«
Der Hieb ist gut platziert und er trifft. Christoph sitzt da, er fühlt sich klein, schwach und dumm. Auch Eugeniawar der Meinung, er habe alles nur schlimmer gemacht.
Wo und wann hätte er anders handeln können?
Wenn er sich klüger verhalten hätte, wäre dann alles anders gekommen?
Wären Eugenia und Isabel in Sicherheit?
Christoph geht alles noch einmal durch. Diese wenigen Tage, Stunde für Stunde. Der Anruf von Isabel, die Fahrt nach Köpenick und von dort weiter Richtung Erken.
Lag hier schon der Fehler?
Sein Besuch bei Dr. Bruckner, Isabels Flucht vor dem verhassten, unbekannten Vater. War das der Knackpunkt?
Ihr Zusammentreffen auf der Wrangelstraße. Die Versöhnung, ihre Umarmung. Er hätte trotzdem die Augen offen halten sollen. Aber er hat es nicht getan. Ein Moment der Zuneigung hat ihn unvorsichtig gemacht.
Nein, den Fehler hat er viel früher begangen. Er hätte den Vater nicht nur suchen und finden sollen. Sondern recherchieren. Dann hätte er gewusst, dass Isabel legal in Deutschland bleiben könnte. Aber: Hätte sie das getan? Ja, er glaubt fest, dass sie sich hätte überzeugen lassen. Heraus aus dem Schatten, in die Legalität. Mit Bruckners Hilfe. Aber er hat nicht gründlich recherchiert. Sein Versäumnis.
Er kann es nicht mehr ändern.
Sein Vater lässt ihn nicht aus den Augen. Er ist ein Gefangener im eigenen Haus. Natürlich könnte er es auf eine Auseinandersetzung, einen Kampf ankommen lassen. Aber er weiß selbst nicht, was er jetzt noch tun kann.
Dann die Idee: Er muss Bruckner erreichen. Das ist der Einzige, der noch etwas tun könnte – wenn er denn will.
»Ich gehe ins Bett«, sagt Christoph und steht auf. Es ist noch nicht Schlafenszeit, aber natürlich leuchtet den Eltern ein, dass er hundemüde ist.
»Du haust nicht ab!« Es klingt wie ein Befehl. Auf Befehle gibt es keine Antwort, also sagt er nichts.
»Ich kann dir vertrauen?«, fragt der Vater nach.
Christoph nickt und zwingt sich, seinem Vater bei dieser Lüge in die Augen zu sehen.
Er ruft Bruckner an.
Was ist mit Isabel?
Was ist mit Eugenia?
Jeder von beiden weiß etwas von den zwei Frauen, keiner weiß genug, um viel zu unternehmen.
Bruckner wollte noch einmal zu Eugenia ins Waldhaus fahren, wie er es mit Christoph vereinbart hatte. Doch als er da ankam, da war sie bereits weg. Sein Anwalt hat sich erkundigt: Eugenia war festgenommen worden.
Christoph gesteht, er habe Isabel aus den Augen verloren.
»Die Polizei wird sie finden, wenn es nicht schon längst passiert ist«, sagt Bruckner. »Aber ich werde mich um sie kümmern, versprochen.« Er räuspert sich. »Ich werde die Anerkennung der Vaterschaft in die Wege leiten. Isabel kann dann auf alle Fälle bleiben.«
»Sie wird sich von Ihnen nicht helfen lassen.«
»Warten wir’s ab.«
»Sie kennen sie nicht.«
»Aber ich möchte meine Tochter kennenlernen.«
»Und was ist mit Eugenia?«
»Das ist etwas komplizierter, aber mein Anwalt sieht auch da eine Möglichkeit.«
Erst ganz langsam realisiert Christoph, was das bedeutet.
Vielleicht haben Eugenia und Isabel die Chance auf einen Neuanfang. Ohne Geheimnisse oder Schattenleben. Hier in Deutschland.
Wenn sie nichts mit dem Mord an Kröger zu tun haben. Wenn …
Er kann es sich noch gar nicht vorstellen. Es klingt zu schön, um wahr zu sein. Und er ist zu erschöpft und zu verwirrt, um sich wirklich freuen zu können.
Aber es gibt ihm neuen Auftrieb. Er muss Isabel finden. Es ihr erzählen. Die Jahre in der Illegalität waren unnötig, sinnlos. Aber sie sind vorbei. Sie musszu ihrem Vater, sich mit ihm versöhnen. Er ist ihre Rettung, ihre Hoffnung.
Er ruft sie an.
Sie geht nicht ran.
Wo könnte sie sein?
Sie geht sicher nicht zurück zum Waldhaus.
Wenn sie Hilfe sucht, dann vielleicht bei den Hausbewohnern.
Er muss sie dort suchen, wo sie Menschen kennt, denen sie vertraut.
Mehmet, Adamu, Tatjana.
Das ist seine einzige Chance.
Christoph hört seine Eltern streiten, die Haustür knallt, sein Vater ist gegangen. Vermutlich schläft er in der
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